Sind die USA überhaupt eine Demokratie?

Rezension des Buches von Stephan Bierling, „Die Unvereinigten Staaten. Das politische System der USA und die Zukunft der Demokratie“, C.H.Beck-Verlag, ISBN 978 3 406 83339 7 348 Seiten, 28,- Euro (1)

Die Rückkehr von Donald Trump in das Präsidentenamt hat für Politiker, Analysten und Journalisten die Frage aufgeworfen, ob sich die USA damit als eine klassische, liberale Demokratie verabschieden und zu einem von einem Autokraten geführten Land bzw. sogar zu einer Diktatur werden. Eine Antwort darauf versucht Stephan Bierling in seinem unmittelbar nach dem erneuten Sieg Trumps vorgelegten Buch „Die Unvereinigten Staaten. Das politische System der USA und die Zukunft der Demokratie“ zu geben. Seine Antwort darauf fällt am Ende sybillinisch aus: „Zur Diktatur werden die USA unter ihm wohl nicht, das wird selbst er in den kommenden vier Jahren nicht schaffen – und eine erneute Kandidatur verbietet ihm die Verfassung. Eine auf Personenkult gedrillte Ein-Mann-Demokratie indes ist eine realistische Möglichkeit.“ (284)

Der Autor ist Professor für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg und Verfasser zahlreicher Bücher über neuere internationale Politik sowie von Artikeln über die USA, etwa in der FAZ, der NZZ und der Süddeutschen Zeitung.

Hauptgegenstand des hier besprochenen Werkes ist die sich seit Jahrzehnten vollziehende Polarisierung der beiden politischen Lager von Demokraten und Republikanern, die Radikalisierung der „Grand-Old-Party“, als die die Republikaner oft bezeichnet werden, bereits unter Ronald Reagan, Newt Gingrich sowie während der Tea-Party-Bewegung. Erst diese Entwicklungen haben den Aufstieg Trumps überhaupt erst möglich gemacht. Das Buch bietet hierzu viele interessante Einblicke. Bei der Analyse der Veränderungen bleibt Bieling aber fast ausschließlich auf der politischen bzw. kulturellen Ebene, so spricht er etwa von „Kulturkriegen“, die in den USA toben.

Weitgehend unberücksichtigt bleiben bei ihm dagegen die tiefen ökonomischen Verwerfungen der letzten Jahrzehnte in und um die USA, die diese Entwicklung überhaupt erst möglich gemacht hat. So findet sich kaum ein Wort zum massiven Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie, zum Verlust an Konkurrenzfähigkeit US-amerikanischer Unternehmen gegenüber jenen in China aber auch in der EU. Unerwähnt bleibt auch die bedrohlich wachsende Staatsverschuldung der USA. Nur gelegentlich werden diese ökonomischen Veränderungen erwähnt, etwa wenn er auf die bei den Präsidentschaftswahlen 2024 gewachsene Popularität Trumps eingeht: „Er fand in 90 Prozent der Wahlkreise neue Unterstützer, überproportional stark in denen mit großer wirtschaftlicher Ungleichheit, schnell steigenden Immobilien- und Mietpreisen und vielen Immigranten.“ (278) Die Schlussfolgerung aber die Bierling daraus zieht, dass Trump aus der konservativ und neoliberal ausgerichteten Republikanischen Partei eine „multiethnische Arbeiterpartei“ (280) gemacht habe, verbleibt auf der Oberfläche der aktuellen Wahlentscheidung eines Teils der Lohnabhängigen. Unerwähnt bleibt dabei, wer die Republikanische Partei und auch den Aufstieg von Trump finanziert hat. Dies waren aber vor allem Milliardäre vom Schlage eines Elon Musk, eines Bob Bezos und anderer. Allein Musk finanzierte die Kampagne Trumps mit mehr als 250 Millionen Dollar.

Ausgesprochen interessant, ja sogar lehrreich sind hingegen jene Teile des Buches, in denen Bierling über die Entstehung des politischen Systems der USA schreibt und die Gründe benennt, weshalb dort solch grundlegenden demokratischen Prinzipien wie Gleichheit, Volkswahl, Repräsentation und Effizienz nur unzureichend entwickelt sind. Es geht dabei um die zahlreichen faktischen Beschränkungen des Wahlrechts bestimmter Bevölkerungsgruppen, die Abschottung des bestehenden Duopols von Demokraten und Republikanern gegenüber dritten Parteien, das verbreitete Verfahren des willkürlichen Zuschneidens von Wahlkreisen, des „Gerrymanderings“, das System der indirekten Wahl des Präsidenten durch Wahlleute, die ungleiche Repräsentanz großer und kleiner Bundesstaaten im Senat, die von Beginn an große und immer noch weiter wachsende Machtfülle des Präsidentenamtes, die zentrale Bedeutung des obersten Gerichts der USA, des Supreme Courts, dessen Richter keiner Amtszeitbegrenzung unterworfen sind sowie die Rolle eines Föderalismus, der immer wieder verhindert, dass wichtige, auf Bundesebene beschlossene Reformen wirksam werden können.

In den USA gibt es über all diese Fragen schon seit langem eine intensive Debatte unter kritischen Historikern, Juristen und Politikwissenschaftlern. In Deutschland ist diese aber weitgehend unbekannt geblieben, sei es aus Mangel an Übersetzungen oder aus politischen Gründen, sind doch ihre Ergebnisse wenig schmeichelhaft für das auch hier hochgehaltene Selbstbild der USA als einer vorbildlichen Demokratie. Bierlings Werk füllt hier eine Lücke, bietet es doch einen guten Überblick über die grundlegenden Strukturmängel des amerikanischen Regierungssystems.

Eingeschränktes Wahlrecht

Betrachten wir zunächst die Grundlage jeder Demokratie, das Wahlrecht: Die Geschichte der USA kennt hier eine lange Tradition der Diskriminierung der Schwarzen, aber auch der Frauen, der Native Americans, Häftlingen – auch ehemaligen - und immer wieder auch bestimmter Gruppen von Einwanderern. Bierling schildert einen anschaulichen Fall der Wahldiskriminierung aus dem Jahr 1960, also aus einer Zeit in der die USA in der Bundesrepublik als Verkörperung der Demokratie schlechthin angesehen wurden: „Clarence Gaskin, einem schwarzen Wähler in Georgia, (wurde) im Wahlbüro ein Glas Mais, eine Gurke, eine Wassermelone und ein Stück Seife vorgelegt. Um abstimmen zu dürfen, beschied man ihn, müsse er folgende Fragen richtig beantworten: 'Wie viele Maiskörner sind in dem Glas? Wie viele Beulen hat die Gurke? Wie viele Kerne hat die Wassermelone? Und wie viele Seifenblasen sind in dem Seifenstück?' Da es darauf keine richtige Antwort gab, wie der Wahlhelfer gegenüber Gaskins eingestand, konnte dieser nicht wählen. Erst der Voting-Rights-Act von 1965 verbot jedwede Beschränkung der Stimmabgabe“. (104) 2013 wurde aber dieses Gesetz durch Entscheidung des Obersten Gerichtshofes erneut eingeschränkt. „In der Folge führten viele Südstaaten schärfere Ausweispflichten sowie Beschränkungen der vorzeitigen Stimmabgabe und der Briefwahl ein – unter dem Vorwand, Wahlbetrug unterbinden zu wollen. Dabei gab es keinerlei Hinweise für Unregelmäßigkeiten bei Abstimmungen.“ (106) Betroffene dieser Schikanen sind regelmäßig Angehörige ethnischer Minderheiten: „So besaßen 25 Prozent der Schwarzen keine von der Regierung ausgegebene Foto-Identifikationskarte, aber nur 8 Prozent der Weißen.“ (107)        

Frauen hatten in den USA 1920 das Wahlrecht erhalten. Native Americans blieben hingegen weiter ohne Stimmrecht, da sie in ihrem Land, das sie seit Urzeiten bewohnen, lange keine Staatsbürger waren. Erst 1924 wurde ihnen die Bürgerschaft zugestanden. In einigen Bundesstaaten war das sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall. „Chinesischstämmige Einwohner und Personen mit anderer asiatischer Herkunft bekamen erst 1943 beziehungsweise 1952 Bürger- und Wahlrecht.“ (105) In 48 der 50 Bundesstaaten haben Häftlinge bis heute kein Wahlrecht. 2022 „durften deshalb 4,6 Millionen Personen und damit 2 Prozent der Amerikaner über 18 nicht an den Zwischenwahlen teilnehmen“. (105 f.)  Auch aufgrund dieser vielfältigen Diskriminierungen liegt die Wahlbeteiligung regelmäßig bei nur etwa 50 Prozent, so niedrig wie in kaum einem anderen Land des Westens.

Einer-Wahlkreis und Diskriminierung dritter Parteien

Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus, zum Senat und für das Präsidentenamt legt jeder Bundesstaat für sich „das Wahlverfahren, Zuschnitt der Distrikte für das Repräsentantenhaus, Registrierung der Wähler, Gestaltung der Wahlzettel, Zeitraum und Art der Abstimmung (…)“ fest. (112) Bundesweit einheitlich geregelt ist hingegen, dass die Abstimmung in Einer-Wahlkreisen stattfinden muss, was bedeutet, dass die Partei des unterlegenen Kandidaten regelmäßig leer ausgeht, „the winner takes all“, ein System wie es auch in Frankreich und Großbritannien zur Anwendung kommt. So kommt es zu erheblichen Verzerrungen bei der Abbildung des Wählerwillens. Demokratischer sind hingegen Systeme, die auf dem Prinzip der Verhältnis- oder Listenwahl beruhen, denn dort erhalten auch die unterlegenen Parteien entsprechend ihrem Anteil an Wählerstimmen Mandate.

Aufgrund dieses strikten Einer-Wahlkreissystems besitzen Demokraten und Republikaner faktisch ein Monopol auf die politische Macht, sowohl auf der Ebene der parlamentarischen Vertretung als auch bei der Präsidentenwahl. Kandidaten anderer, dritter Parteien hatten daher nur in seltenen Ausnahmefällen eine Chance. Dritte Parteien werden darüber hinaus noch durch vielfältige weitere Diskriminierungen behindert: „Bewerber anderer Parteien, wie der Grünen, Libertären oder Sozialisten und unabhängige Kandidaten müssen (…) nachweisen, dass sie in den vorherigen Wahlen zwischen 5 und 15 Prozent der Stimmen für dasselbe Amt erhielten, oder eine bestimmte Zahl von Unterstützungsunterschriften vorlegen.“ (112) Die Chancenlosigkeit dieser Parteien ist denn auch der Grund dafür, dass Sozialisten und selbst Kommunisten regelmäßig bei Wahlen die Demokratische Partei unterstützen, auch versuchen Linke immer wieder als Kandidaten der Demokraten Mandate zu erringen. Die USA sind daher ein Land, in dem sich der Gegensatz zwischen der besitzenden Klasse und den vielfältig Diskriminierten im politischen Parteienspektrum nicht abbildet. Mit den Demokraten und den Republikanern gibt es nur zwei bürgerliche Parteien die sich seit Ende des 18. Jahrhunderts an der Macht abwechseln. Das gilt auch für die gegenwärtige Situation, in der der Gegensatz zwischen den beiden Parteien so unversöhnlich erscheint. So erhielt nicht nur Trump, sondern auch die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hohe Zuwendungen der Wallstreet als auch von Investoren aus dem Silicon Valley. Die USA bieten daher weiterhin das Bild eines „Einparteiensystem mit Wettbewerbscharakter“, wie es Domenico Losurdo formulierte.           

Es zählen nur die Swing States

Eine besonders undemokratische Praxis des US-amerikanischen Wahlsystems stellt die indirekte Wahl des Präsidenten dar. Sie erfolgt nicht wie etwa in Frankreich unmittelbar durch das Volk, bei der der Sieger am Ende eine absolute Mehrheit erzielen muss, sondern über Wahlmänner, die in jedem Bundesstaat nach dem Prinzip „the winner takes all“ bestimmt werden, was bedeutet, dass der Präsidentschaftskandidat, der selbst nur eine hauchdünne Mehrheit in einem Bundesstaat erreicht, alle dort zu vergebenen Wahlmännerstimmen erhält. Im Ergebnis kommt es daher immer wieder vor, dass die so zusammengekommene Mehrheit der Wahlmänner von dem tatsächlich bundesweit erzielten Stimmergebnis, dem „popular vote“, erheblich abweichen kann. So lag Hillary Clinton 2016 bundesweit mit fast 2,9 Millionen Stimmern vor Donald Trump und wurde dennoch nicht Präsidentin, da er in einigen wenigen aber entscheidenden Staaten vorne lag und damit alle dort zu vergebenen Wahlmännerstimmen gewann. Am Ende kommt es allein auf die sogenannten Swing States“ an, Staaten in denen sich Demokraten und Republikaner ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Am Ende entscheiden so in einem Land, das mehr als 340 Millionen Einwohner zählt, nur wenige Zehntausende Wähler in einigen Bundesstaaten wer es künftig führen soll: „Hätten 2016 in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin 80.000 Wähler anders abgestimmt, wäre Clinton Präsidentin geworden. Vier Jahre später hätten Trump sogar 41.000 Stimmen in Georgia, Arizona und Wisconsin gereicht, um erneut ins Weiße Haus einzuziehen.“ (120) Noch sehr viel knapper fiel die Entscheidung im Präsidentschaftswahlkampf 2000 aus. Damals kam es allein auf das Ergebnis im Bundesstaat Florida an. Am Ende einer schließlich abgebrochenen wiederholten Auszählung lag dort der Republikaner George Bush jr. mit nur 537 Stimmen (0,009 %) vor dem Demokraten Al Gore. Da es allein auf den Sieg in sehr wenigen Bundesstaaten ankommt, zählen die Abstimmungen im übrigen Land, dort wo jeweils eine der beiden Parteien dominiert, nicht. So findet selbst in solch großen Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas oder New York regelmäßig so gut wie kein Präsidentschaftswahlkampf statt.

Wahlkampffinanzierung

Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass Politiker in den USA nur mit Hilfe massiver Geldspenden überhaupt nur eine Chance haben. Die Summen die für Wahlkämpfe ausgegeben werden steigen von Jahr zu Jahr. Bierling weist darauf hin, dass „Gerichte alle Spendenbarrieren einrissen. (…) 2014 schaffte der Supreme Court (…) Obergrenzen für Gesamtspendensummen von Einzelpersonen an Kandidaten, Parteien und PACs (Political Action Committees, in der Regel Lobbygruppen, A.W.) ab. Für die konservative Richtermehrheit waren Meinungsfreiheit und Wahlkampfspenden offenbar dasselbe. Damit kreierte der Supreme Court ein System, in dem die problematischsten Aspekte der Wahlkampffinanzierung – der Einfluss von Unternehmen, Verbänden und Superreichen – völlig legal sind.“ (131 f.) Die USA sind spätestens mit dieser Gerichtsentscheidung zu einer Oligarchie geworden, ein Land in dem wenige Reiche das Sagen haben.

Die Macht des Präsidenten

Legendär ist die Macht des US-Präsidenten, von dem es zu Recht heißt, dass er der mächtigste Mensch der Welt ist: „Der Präsident und sein Stellvertreter sind die einzigen beiden aus nationalen Wahlen hervorgehenden Amtsträger in den USA. Während parlamentarische Systeme die Posten von Regierungschef und Staatsoberhaupt trennen, vereint sie die amerikanische Verfassung in einer Person.“ (141) Die Mitglieder der Regierung, die Minister, haben in den USA dementsprechend eine deutlich geringere Bedeutung als die ihrer Kollegen in den übrigen westlichen Regierungssystemen. Kabinettssitzungen finden oft nur dann statt, wenn der Präsident sie für sinnvoll ansieht. Über die erste Präsidentschaft von Trump heißt es bei Bierling: „Trump ernannte loyale Unterstützer und Spendensammler und hielt Kabinettsitzungen nur ab, um sich huldigen zu lassen.“ (146) In der Außenpolitik ist der Nationale Sicherheitsrat viel wichtiger als das Kabinett. Ihn gibt es seit den 1960er Jahren. „Die Zahl seiner Mitarbeiter stieg von ein paar Dutzend und John F. Kennedy bis auf 370 unter Biden.“ (154)

Eine beliebte Form des Regierens von US-Präsidenten besteht in dem Erlass von Dekreten. Nach seiner Amtseinführung erließ Trump gleich am ersten Tag dutzende davon. Oft ist die Rechtsgrundlage für das Handeln der Präsidenten die Geltendmachung eines nationalen Notstands. So hatte sich Trump bei der Verhängung von hohen Zöllen gegen nahezu alle Handelspartner auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA), ein Notstandsrecht von 1977, berufen.

Weitreichend sind auch die Rechte eines US-Präsidenten zur Kriegführung. Offiziell besitzt zwar nur der Kongress das Recht, Krieg zu erklären. Doch immer wieder verkündeten US-Präsidenten Notfälle, mit der der Kongress umgangen werden kann: „Ford erteilte der Marine vor Kambodscha Feuerbefehl, Carter ordnete eine militärische Befreiung der US-Geiseln in Teheran an, Reagan schickte Soldaten in den Libanon und nach Granada und ließ Libyen sowie iranische Ziele bombardieren. Bush Senior entsandte Truppen nach Panama und Somalia. Clinton setzte Militär in Irak, Haiti, Bosnien, Afghanistan, Sudan und Kosovo ein – alles ohne parlamentarische Zustimmung.“ (157) Zur Liste der angegriffenen Staaten gehört inzwischen auch der Jemen, der in den ersten Wochen der zweiten Amtszeit von Trump bombardiert wurde.

Durch die Entscheidung des konservativ gewendeten Supreme Courts vom 1. Juli 2024 über die Immunität des Präsidenten bei Amtshandlungen ist die Macht des Präsidenten weiter gewachsen. „In einer empörten abweichenden Stellungnahme (…) entgegnete Richterin Sonia Sotomayor: 'Bei jeder Ausübung der Amtsgewalt ist der Präsident jetzt ein König, der über dem Gesetz steht.'“ (165)

Die ewige Verfassung der Vereinigten Staaten

In dem abschließenden Kapitel „Todeskampf oder Neubelebung: Die Zukunft der Demokratie in Amerika“ untersucht Bierling die Chancen einer grundlegenden Verfassungsänderung und damit einer Demokratisierung der USA. Er kommt dabei zu dem ernüchternden Ergebnis, dass alle grundlegenden Reformversuche gescheitert sind. Weder gab es Mehrheiten für die Abschaffung der Wahlmännerregelung, noch zur Lebenszeitbestellung der Supreme-Court-Richter, und auch die Regelung von jeweils zwei Senatoren pro Einzelstaat im Senat konnte nicht verändert werden, obwohl dadurch so bevölkerungsreiche Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas oder New York stark benachteiligt werden, denn die einwohnerschwachen Staaten stimmen ihrer eigenen Entmachtung nicht zu.

Das Fazit Bielings lautet: „Verfassungsänderungen dürften kaum helfen gegen Demokratiedefekte und Polarisierungsspirale. Sie kamen auch fast nur in historischen Ausnahmesituationen zustande: direkt nach Gründung der Republik, während und nach dem Bürgerkrieg, in der Rebellion der Progressiven oder im Zuge der Bürgerrechtsbewegung.“ (263) Mit anderen Worten: Nur in Phasen intensiver Klassenkämpfe, dann wenn sich die Deklassierten erfolgreich gegen ihre Diskriminierung wehren, sind grundlegende Veränderungen des politischen Systems möglich. Davon sind aber die Vereinigten Staaten gegenwärtig weit entfernt. Bis dahin kann von einer Demokratie nicht gesprochen werden.

(1) Die in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf die Seiten in seinem Buch.

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