Zur Arbeit des Marx-Engels Zentrums Berlin

Mehr als 20 Jahre nach dem Untergang des realen Sozialismus in Europa müssen wir uns eingestehen: Der Marxismus fristet in diesem Land nur noch ein Nischendasein. An den Hochschulen, in den großen Medien und auf dem Büchermarkt sowieso. Aber auch die Zahl der sich als Marxisten verstehenden Menschen wird kleiner. In der SPD sind sie ganz verschwunden, was aus ihnen in der Partei Die Linke wird, ist ungewiss. Und die DKP ist nur noch eine kleine Partei mit geringem Einfluss.

Es gibt zwar noch Zeitschriften, in denen sich Marxisten austauschen können. Etwa die Marxistischen Blätter, die Z, das Argument, den Rotfuchs, Theorie & Praxis, die Kommunistische Arbeiterzeitung und andere. Aber ich habe den Eindruck, wir leben auch hier von der Substanz, eine Substanz, die jedes Jahr kleiner wird.

Dies ist der Hintergrund für unsere Absicht, mit der Einrichtung des Marx-Engels Zentrum Berlin etwas dagegen tun zu wollen. Wir wollen einen Ort schaffen, wo sich an linker Politik und Theorie Interessierte austauschen und ihre Gedanken klären können, und wo an Hand der Texte der Klassiker gelehrt und gelernt wird. Gerade in Zeiten, in denen ja angeblich „alles im Netz“ steht, in der permanentes Rauschen von schnell und flüchtig hingeworfenen Kommentaren auf Facebook und Twitter viele betäubt, bleibt das Treffen, das direkte Gespräch wichtig, ja wird sogar noch notwendiger.

Die Bereitstellung dieser Räume kann natürlich nur ein kleiner und bescheidener Beitrag zur Verbesserung der insgesamt schwierigen Situation von Marxisten in diesem Land sein. Die Räume sind klein und die Mittel begrenzt. Schließlich bekommen wir ja auch nicht – wie andere Bildungseinrichtungen - das Geld vom Staat.  

Wir wollen uns einreihen in die noch bestehenden bzw. wieder eingerichteten Schulungs- und Bildungszentren in anderen Städten. Wir wollen eng kooperieren mit den Marxistischen Abend- bzw. Arbeiterschulungen, den MASCHs, etwa in Bremen, Hamburg oder Essen.

Besonders eng arbeiten wir mit der bundesweiten Marx-Engels-Stiftung zusammen. Eine Stiftung, die seit 1970 existiert, und die in letzter Zeit wieder deutlich aktiver und damit auch attraktiver geworden ist. Wir werben ausdrücklich für die Mitgliedschaft in der Marx-Engels-Stiftung. Wer das Berliner MEZ aktiv und auch finanziell unterstützen möchte, der soll bitte in dieser Stiftung Mitglied werden.

Wir werden uns also besonders der Schulungsarbeit widmen. Dafür soll nun auch in Berlin die MASCH wieder belebt werden. Eine Kapitalschulung ist bereits fest geplant. Weitere Schulungsreihen zu den Themen Staat und Revolution, Philosophie des Marxismus sowie Klasse und Klassengesellschaft sind für 2014 vorgesehen. Wir wenden uns dabei besonders an die Jugend: An die an marxistischer Bildung Interessierten in der Gewerkschaftsjugend, in der Linksjugend Solid, im SDS und in der SDAJ.

Wir nehmen all diese Arbeiten nicht prinzipienlos in Angriff. Wir gehen vielmehr davon aus, dass der Kapitalismus längst in sein imperialistisches Stadium eingetreten ist, und dass der bürgerliche Staat kein neutraler, sondern einer des staatsmonopolistischen Kapitalismus ist.  Wir begreifen die Klassengesellschaft als Realität. Nur die Arbeiterklasse wird entscheidende Veränderungen hin zu einer sozialistischen Gesellschaft durchsetzen können. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Arbeiterbewegung in unserem Land gegenwärtig schwach und sozialdemokratisch dominiert ist. Wir sind der Meinung, dass es zur Schaffung von politischem Bewusstsein und zur Bündelung der konkreten Aktion weiterhin einer politischen Partei bedarf. Schließlich vertreten wir die Position, dass es gilt, von den Erfahrungen der Arbeiterbewegung in Ost und West zu lernen. Wir haben uns ihrer gesamten Geschichte, auch ihrer bitteren Seiten, zu stellen. Es gilt, diese Zeiten verstehen zu lernen, sie kritisch zu betrachten und zu versuchen, es besser zu machen. Mit irgendwelchen Entschuldigungen vor der Geschichte ist es dabei nicht getan.

Wir unterscheiden uns daher vielleicht ein wenig von anderen in der gesellschaftlichen Linken, für die der Imperialismus nicht mehr existiert, für die die bürgerliche Staatsform lediglich in eine sozialistische Staatsform „transformiert“ werden muss, die die Vergesellschaftung von Monopolen und Banken als nicht mehr notwendig ansehen, und die an die Stelle des handelnden Subjekts Arbeiterklasse eine „Mosaiklinke“ setzen wollen.

Neben der Schulungsarbeit werden wir uns natürlich auch mit aktuellen Fragen befassen. Wir haben dazu die Reihen „Porträt“, „Sozialistische Theorie“ und „Aktuelle Politik“ eingerichtet. So werden wir am 17. Oktober eine Veranstaltung zur Situation in der Partei Die Linke nach der Bundestagswahl durchführen. Referentin wird die die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sein. In der Reihe „Porträt“ folgt am 25. Oktober eine Lesung mit Elfriede Brüning. In der Reihe „Sozialistische Theorie“ wollen wir am 30. November einen ganzen Tag lang der Frage nachgehen: „In welchem Kapitalismus leben wir eigentlich?“ Beiträge aus sicherlich ganz unterschiedlicher Sicht werden dazu Werner Seppmann, Arnold Schölzel, Lucas Zeise und ich liefern. Wir hoffen natürlich, dass wir bei diesen Veranstaltungen den einen oder anderen unserer heutigen Gäste wieder sehen werden.

All diese Arbeit können wir natürlich nur im Kollektiv bewältigen. Wir haben deshalb im MEZ einen Beirat gebildet, der aus insgesamt sieben Genossinnen und Genossen besteht. Dabei sind Parteilose, Mitglieder der DKP und der Linkspartei. Wir wollen ein parteiübergreifendes Projekt einer gesellschaftlichen Linken sein. Ganz so wie es – allerdings in einem sehr viel größerem Maße – die Tageszeitung  Junge Welt ist. Der Jungen Welt sind wir natürlich besonders verpflichtet. Das MEZ soll auch ihr Stützpunkt im Berliner Westen sein.

Der Zufall hat es so gewollt, dass das MEZ hier in Charlottenburg in einem Stadtteil liegt, der in der Vergangenheit stark von der Arbeiterbewegung geprägt wurde. Das Gebiet nördlich der Bismarckstraße bezeichnete man nicht von ungefähr als „Kleinen Wedding“. Es war vor dem Faschismus eine Hochburg von SPD und KPD. Noch Monate nach der Machtübertragung auf Hitler wagte sich die SA nicht in diese Straßen vor. Der antifaschistische Kampf  forderte denn auch hier besonders viele Opfer. Gleich um die Ecke beginnt hier die Zillestraße, die frühere Wallstraße. Hier spielt das Buch „Unsere Straße“ von Jan Petersen. Es ist ein Roman, der den Widerstandskampf der Arbeiter beschreibt. Es ist zugleich das einzige antifaschistische Buch, das im Herzen Hitlerdeutschlands entstand. Jan Petersen war der führende Kopf des „Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“. Elfriede Brüning, die am 25. Oktober zu uns kommen wird, ist das letzte noch lebende Mitglied dieses Bundes. So schließt sich der Kreis. In ihrem Sinne wollen wir hier im Marx-Engels Zentrum mit der Arbeit beginnen.

 

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