Weitere Schwächung

Als sich Bernd Riexinger vor nicht einmal zwei Jahren in Göttingen gegen Dietmar Bartsch als Parteivorsitzender bei Die Linke durchsetzen konnte, gelang ihm das nur äußerst knapp. Der rechte Flügel war darüber derart entsetzt, dass er mit seinem Auszug drohte. Jetzt in Berlin hatte Riexinger nicht einmal einen Gegenkandidaten, und wiedergewählt wurde er mit fast 90 Prozent. Er und die Kovorsitzende Katja Kipping haben es ganz offensichtlich geschafft, die Mitglieder hinter sich zu sammeln und die Partei zu befrieden. Galt Die Linke noch vor zwei Jahren als heillos zerstritten und vor der Spaltung stehend, hört man schon lange nichts mehr von lähmenden Flügelkämpfen in ihr.

Der Grund für diese überraschende Entwicklung ist ganz einfach. Riexinger wurde zwar in Göttingen als Parteilinker gewählt, doch unmittelbar danach hat er die Agenda des rechten Flügels übernommen, und die Parteilinke hat das toleriert. So attackierte er Oskar Lafontaine, als dieser es wagte, über Alternativen zum Euro für die gebeutelten EU-Staaten an der Peripherie nachzudenken. Mit ihm sei »Nationalismus nicht zu machen« verkündete Riexinger auf dem Dresdner Parteitag 2013. Im Bundestagswahlkampf verging kaum eine Woche, in der er nicht über mögliche Bündnisse mit SPD und Grünen schwadronierte. Und als Gregor Gysi die zentrale Aussage über die EU als einer »neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht« im Entwurf des Europawahlprogramms angriff, war es Riexinger, der sich sogleich von dem unter seiner Führung beschlossenen Text distanzierte. Über den Konflikt in der Ukraine wussten die beiden Parteivorsitzenden vor wenigen Tagen schließlich folgendes zu sagen: »Beide Seiten (der Westen als auch Russland, A.W.) haben daran mitgewirkt, ethnische und politische Konflikte in der Ukraine zu schüren, und haben gewalttätige Gruppen ermuntert.« Sehr viel anders formulieren das auch Sozialdemokraten nicht.

Wenn es dennoch keine Kritik von links am Kurs der Parteivorsitzenden gibt, so liegt das vor allem an der lähmenden Angst vor einer Rückkehr der Flügelkämpfe. Es liegt aber auch an der Profil- und Harmlosigkeit einstmals kritischer Kräfte in der Partei, etwa der Sozialistischen Linken. Der Parteilinken im Vorstand fehlt zudem eine schlagkräftige Koordination. Mit dem Ausscheiden von Sahra Wagenknecht und von Diether Dehm wird die Linke jetzt dort weiter geschwächt.

Vor zwei Jahren hieß es über den Ausgang des Göttinger Parteitags an dieser Stelle: »Mit dem Scheitern der Kandidatur von Dietmar Bartsch zum Parteivorsitzenden bleibt die antikapitalistische Option der Partei Die Linke zumindest offen.« Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden.

 

 

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