Tsipras´neue Freunde

Der Rücktritt kam nicht unerwartet. Und er ist ein geschickter Schachzug. Zunächst: Auf dem anstehenden Parteitag von Syriza wird es nicht zu der von der Parteispitze gefürchteten Abrechnung mit dem Parteivorsitzenden kommen. Alexis Tsipras wird vielmehr als Spitzenkandidat auf den Schild gehoben. Bei solchen Ereignissen wird nirgendwo viel diskutiert.

Die Syriza-Linke wird dann schon nicht mehr dabei sein. Sie musste in das kalte Wasser einer ungewissen Parteigründung springen, ohne zuvor nachweisen zu können, dass sie die Parteibasis hinter sich hat. Eine Alternative hatte sie allerdings nicht, denn ein Parteivorsitzender kann in Griechenland bei Wahlen innerhalb von 18 Monaten nach dem letzten Urnengang die Kandidatenliste allein aufstellen. Keiner der »Abweichler von der Parteilinie« kann dabei mit Gnade rechnen. Am wahrscheinlichen Wahltag Ende September wird zudem die Erinnerung an die Erpressung von Tsipras durch Merkel noch lebendig genug sein, um auch patriotisch bewegte Wähler von rechts für ihn stimmen zu lassen. Die Auswirkungen des »dritten Memorandums« werden hingegen noch nicht spürbar sein. Später, wenn Rentenkürzungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen exekutiert werden, wird Tsipras längst über eine komfortable Parlamentsmehrheit ohne Linksabweichler aus der eigenen Partei verfügen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte dies vorausgesehen und am 14. Juli drei mögliche Szenarien skizziert: »Die beste Lösung für das Land wäre«, hieß es dort, »gelänge es Tsipras, die seit wenigen Tagen faktisch bestehende große Koalition in eine ›Regierung der nationalen Rettung‹ zu überführen, die bis zum Ende der Legislaturperiode, also Anfang 2019, regiert und die zugesagten Reformen umsetzt. Weniger gut wäre, sollte es im Herbst zu vorgezogenen Neuwahlen kommen; der Ausgang wäre ungewiss, das Land wäre abermals gelähmt. Das schlechteste Szenario wäre, müsste sich Tsipras in einer Minderheitsregierung behaupten, ohne den Ballast des kommunistischen Flügels seiner Partei, der die Reformen unterlaufen will, abwerfen zu können. Tsipras müsste am ersten Szenario gelegen sein. Nur so kann er Glaubwürdigkeit gewinnen.«

Nun ist es also die »weniger gute Lösung« geworden. Die FAZ und die Herrschenden in Berlin und Brüssel werden damit leben können. Für sie ist aus dem »Bad Guy« Tsipras längst der »Good Guy« geworden. Wie immer unterstützen sie den in Athen, der ihre Forderungen erfüllt. Nachtragend ist man dabei nicht besonders. Der Ministerpräsident verspricht Stabilität, das reicht. Viel Erfolg auf seinem Weg wünscht ihm auch die deutsche Linkspartei. Bernd Riexinger erklärte im Südwestrundfunk: »Die Linkspartei in Deutschland setzt darauf, dass der zurückgetretene griechische Ministerpräsident Tsipras wiedergewählt wird.« Auf diese Unterstützung ist er nicht mehr angewiesen. Er hat längst andere Freunde.

 

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