Die bürgerlichen Medien zeigten sich am Ende doch noch gnädig: Die Linke ist nicht »europafeindlich«. So bewerteten sie das in Hamburg beschlossene Europawahlprogramm der Partei. Noch davor hatten sie ihr die Schelle der »Europafeindlichkeit» umgebunden. Grund war jener Satz im Entwurf des Programms, der zwar Selbstverständliches wiedergab, SPD, Grüne und Medien aber wohl gerade deshalb maßlos empörte. Er lautete: »Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht, die nach 2008 eine der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursachte.« Das wollte man nicht hören, und das hört man nun auch nicht mehr von der Linkspartei. Nachdem auch Fraktionschef Gysi in den Chor der Kritiker eingestimmt hatte, entfernte der Parteivorstand diesen Satz aus dem zuvor von ihm selbst geschriebenen Programm. So etwas nennt man Selbstzensur! Um die Sache noch schlimmer zu machen, strich man kurz vor dem Parteitag sogar die gesamte Präambel, enthielt sie doch noch immer zu viele kritische Aussagen, und ersetzte sie durch eine Fassung aus der Feder des Forums demokratischer Sozialismus, in der der neoliberale, undemokratische und militaristische Charakter der EU regelrecht verniedlicht wird. »Die EU hat ihr Ziel, Frieden – auch sozialen – zu schaffen und zu erhalten, aus den Augen verloren«, heißt es nun. Harmloser, aber auch alberner kann man es kaum noch formulieren.

Die Rücknahme der eigenen Programmatik verfolgt den Zweck, Die Linke passförmig für eine künftige Zusammenarbeit mit SPD und Grünen auch auf Bundesebene zu machen. Ob es je dazu kommt, ist ungewiss. Gewiss ist aber jetzt schon, dass diese Anpassung an den europapolitischen deutschen Mainstream eine in Teilen desorientierte und entmutigte Partei hinterlässt. Es wird nicht einfach sein, mit diesem Programm einen offensiven und innerparteilich geschlossenen Europawahlkampf zu führen.

Zusätzlich erschwert wird der Wahlkampf durch die Personal­entscheidungen des Parteitags. Der linke Flügel konnte mit Sabine Lösing und Fabio de Masi nur zwei seiner Kandidaten auf den ersten neun aussichtsreichen Plätzen durchbringen. Der Vertreter der Friedensbewegung, Tobias Pflüger, und die Repräsentantin des Gewerkschaftsflügels und gegenwärtige Europaabgeordnete Sabine Wils fielen in mehreren Wahlgängen durch. Vor fünf Jahren, auf dem Europaparteitag in Essen, war das Verhältnis zwischen den Flügeln noch ausgewogen. Diesmal nutzten aber die Ostlandesverbände ihre Delegiertenübermacht zum Durchmarsch. Am Rande des Parteitags war daher häufig zu hören, dass man sich wieder in der Zeit vor der Fusion von PDS und WASG 2007 befände und auf den Stand einer Ostpartei zurückgeworfen sei.

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