Schulden sozialisieren

Erst sollte der fällige Troika-Bericht über Griechenland direkt nach der Sommerpause vorliegen, dann wurde Oktober genannt, nun wird er »spätestens« für den 12. November erwartet. Erste Eckpunkte des Reports wurden jetzt vom Spiegel veröffentlicht. Und sie haben es in sich, denn ins Visier der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds gerät diesmal der griechische Staatsapparat.

Um der Kritik aus Brüssel, Berlin und Paris zu begegnen, dass Athen zwar »Reformprogramme« unterzeichne, ihre Umsetzung dann aber auf sich warten lasse, verlangt die Troika nun umfassende Aufsichtsregelungen über das Land. So soll ein Treuhandkonto eingerichtet werden, auf das griechische Steuereinnahmen einzuzahlen sind und das ausschließlich dem Schuldendienst dient. Die europäischen Kredite sollen auf ein Sperrkonto gehen, von wo sie nur abgerufen werden können, wenn die »Reformen« fristgerecht umgesetzt werden. Da man den griechischen Spitzenbeamten nicht traut, sollen einige Schlüsselpositionen im Staatsapparat durch EU-Experten ersetzt werden. Dies alles wären Eingriffe in die nationale Souveränität des Landes, die bis an die Schwelle einer Besetzung führen.

Doch man kann diese Drohungen auch als populistischen Rauchvorhang sehen, hinter dem das Scheitern der Politik der Troika versteckt werden soll. Denn wie sollen europäische Spitzenbeamte die Kontrolle der Umsetzung der Programme übernehmen, wenn die Troika schon jetzt nicht genügend Experten hat, die des Griechischen mächtig sind? Und was ist damit gewonnen, wenn einige Eurokraten in Athener Amtsstuben sitzen, die Apparate darunter aber nicht auf sie hören? Sollen dann die Kredite gestoppt und das Land in die Staatspleite befördert werden? Schließlich hatte doch Schäuble in Singapur mit Blick auf Griechenland gerade verkündet: »There will not be a Staatsbankrott«.

Nein, das Ganze riecht nach einem Ablenkungsmanöver von einem ganz anderen Vorhaben. Zugleich mit Einzelheiten der geplanten Knebelung Griechenlands wurde nämlich die Absicht bekannt, einen weiteren Schuldenschnitt für Hellas vorzunehmen. Anders als beim ersten im Herbst 2011 sollen dann aber auch öffentliche Gläubiger auf einen erheblichen Teil ihrer Forderungen verzichten. Das würde vor allem die Europäische Zentralbank treffen, besitzt sie doch mittlerweile 70 Prozent der griechischen Anleihen. Der jetzt verlangte Forderungsverzicht träfe damit die europäischen Steuerzahler. Die Verluste in der Bankenkrise wären dann endlich dort angelangt, wo sie nach Ansicht der Herrschenden eh hingehören: auf den Schultern der abhängig Beschäftigten, der Rentner und sozial Schwachen, vor allem in Griechenland aber auch in den übrigen Euro-Staaten. Für sie alle gilt dann erst recht: Wir zahlen für eure Schulden!

 

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