Radikal und realistisch

Für den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ist Die Linke »nicht eine Partei, sondern zwei«. Eine »mit ganz vielen Vernünftigen aus dem Osten, mit denen man gut zusammenarbeiten kann«, und eine »mit den Sektierern und Ideologen aus dem Westen«. Am vergangenen Sonnabend waren gut hundert jener, die Gabriel im Weg stehen, in Frankfurt am Main zusammengekommen. Es tagte die Sozialistische Linke (SL), der Zusammenschluss von Mitgliedern, die sich als »realistisch und radikal« verstehen. Als Referenten waren Christoph Butterwegge, zum Thema »Sarrazins (Kultur-)Rassismus und die Krise« sowie Oskar Lafontaine geladen. Lafontaine warnte abermals vor einer Anpassung der Partei an den Zeitgeist und verlangte von SPD und Grünen eine substantielle Änderung ihrer Politik, bevor über eine Zusammenarbeit mit ihnen auf Bundesebene überhaupt nachgedacht werden könne.

Im Mittelpunkt der Debatte standen die jüngsten Kontroversen in der Partei über die Bedeutung der Erwerbsarbeit (vgl. dazu das Interview mit Katja Kipping in der jungen Welt vom 18./19. Dezember). Als »gewerkschaftlich orientierte Strömung« wird die SL an der zentralen Aussage des Programmentwurfs festhalten, wonach die Erwerbsarbeit die Grundlage der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion ist. Wer andere Formen der Arbeit, wie etwa ehrenamtliche Tätigkeiten, der Erwerbsarbeit gleichstellt oder gar als Alternative zu ihr sieht, findet sich mit der gegenwärtigen kapitalistischen Verfasstheit der Erwerbsarbeit als Lohnarbeit ab und schließt seinen Frieden mit dem Kapitalismus.

Die Teilnahme Lafontaines in Frankfurt war kein Zufall. Soll die Verteidigung der kapitalismuskritischen Aussagen im Programmentwurf gelingen, kommt es auf die SL an. Allein 16 Bundestagsabgeordnete rechnen sich ihr zu. Auf der Versammlung wurde eine Bilanz des Jahres gezogen, und die kann sich sehen lassen. Die SL hat an Bedeutung in der Partei gewonnen. Die von ihr durchgeführte jährliche Sommerakademie ist zur festen Institution geworden. Ihre Mitglieder sind führend in der Programmdiskussion. Es gelingt ihr, Mehrheiten im Parteivorstand zu organisieren. Der Internetauftritt konnte deutlich verbessert werden. Die SL-Landesgruppen haben die Auseinandersetzung mit dem Programmentwurf aufgenommen, so etwa in Berlin auf einem Workshop.

Doch es gibt auch Konflikte in den eigenen Reihen. Mancherorts stehen sich SL-Mitglieder in der Partei unversöhnlich gegenüber. Und in der Delegation der Europaabgeordneten beteiligten sich gar zwei von der SL vorgeschlagene Abgeordnete, Thomas Händel und Jürgen Klute, an der Abwahl des SL-Mitglieds Sabine Wils als Delegationsleiterin. Der Bundessprecherrat verurteilte dies in einer Erklärung als »falsche Entscheidung«. Um all die kommende Arbeit besser bewältigen zu können, wurde der neu gewählte Bundessprecherrat erweitert und dabei zugleich verjüngt.


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