Nicht prinzipiell dagegen

Unter dem Motto »100 Prozent sozial« geht die Partei Die Linke in den Bundestagswahlkampf. Für den Parteivorsitzenden Bernd Riexinger heißt das: »Wir müssen nicht nur Schluss machen mit den Niedriglöhnen, sondern auch mit Werkverträgen und befristeter Beschäftigung. Das Gleiche gilt für die Ausdehnung der Leiharbeit.«

Die am Wochenende auf dem Parteitag in Dresden beschlossenen Forderungen sind eine Kampfansage an Lohndumping und Sozialabbau. Verlangt wird ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro, die »Beseitigung des Sanktionsregimes von Hartz IV« und das Verbot von Leiharbeit. »Die Rente erst ab 67 muss abgeschafft werden – ohne Wenn und Aber. Jede und jeder muss spätestens mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen.« Damit haben sich die Linken klar von der SPD unter Steinbrück abgegrenzt, von jener Partei, die erst kürzlich das 10-jährige Jubiläum der Agenda 2010 von Kanzler Schröder feierte.

Klare Aussagen finden sich auch in den Abschnitten zur Außen- und Sicherheitspolitik: Die Linke fordert »den sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Abzug aus Afghanistan«, »sie wird sich nicht an einer Regierung beteiligen, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt«. Verlangt wird »ein Verbot aller Rüstungsexporte – ohne Ausnahmen«.

Auf der Grundlage dieses Programms ist weder eine Koalition noch die Tolerierung einer Bundesregierung aus SPD und Grünen – oder auch nur die Wahl von Steinbrück zum Kanzler – durch einzelne Abgeordnete der Linken vorstellbar.

Die schwächsten Passagen finden sich im Abschnitt zur Eurokrise. Hier ist es nicht gelungen, eine auch nur halbwegs stimmige Analyse zu entwickeln. Bei der Ursachensuche wird der Eindruck erweckt, die gravierenden strukturellen Mängel der Wirtschafts- und Währungsunion ließen sich mal so eben durch eine andere Lohnpolitik in Deutschland und durch die Aufgabe der Kürzungspolitik in den Peripherieländern lösen. Dementsprechend illusionär sind die Forderungen zur Lösung der Eurokrise: Verlangt wird eine »europäische Ausgleichsunion«, mit der »die Euro-Staaten auf das Ziel ausgeglichener Handelsströme verpflichtet werden sollen«. Die von der griechischen Schwesterpartei ­SYRIZA erhobene Forderung nach Neuverhandlung und Streichung der Schulden des Landes fehlt hingegen.

Der von Oskar Lafontaine und anderen alternativen Wirtschaftswissenschaftlern unternommene Vorstoß, angesichts der Unlösbarkeit der Eurokrise auch über die Rückkehr zu nationalen Währungen in einigen Ländern der Peripherie nachzudenken, wurde hingegen vom Parteitag verworfen; sowohl Bernd Riexinger als auch Gregor Gysi sprachen sich dagegen aus. Nach Riexinger würde eine Aufgabe des Euro für Deutschland für die Bundesrepublik sofort eine 30- bis 40prozentige Aufwertung der neuen DM bedeuten. Im Umkehrschluss heißt das jedoch, dass die deutsche Volkswirtschaft gegenwärtig innerhalb des Euro-Raums um den entsprechenden Satz unterbewertet ist. Diese Unterbewertung war und ist stets der wichtigste Hebel der bundesdeutschen Industrie, um beständig hohe Überschüsse im Außenhandel erzielen zu können. Ganz ähnlich argumentierte auch Gysi: Ein Ausstieg aus dem Euro »würde nämlich den Süden verelenden, für unsere Exportwirtschaft zu einem gravierenden Zusammenbruch und damit zu gewaltigen sozialen Problemen führen.« Wer also argumentiert hier im deutschen nationalen Sinne? Ist es Oskar Lafontaine, der für einige Peripherieländer die Wiedereinführung ihrer nationalen Währungen vorschlägt? Oder sind es diejenigen, die vor einer Aufwertung und damit einer möglichen Verteuerung deutscher Produkte im Euro-Raum warnen, da dies »unsere« Exportwirtschaft gefährden könnte?

Selbstredend will die Linke nicht das gegenwärtige neoliberale Europa. Sie will natürlich ein anderes, ein soziales. Aber natürlich wird dieses »andere Europa« nicht kommen, denn warum sollte es auch in einer EU, bestehend aus 27 kapitalistischen bzw. imperialistischen Ländern, sozialer und gerechter als in den Mitgliedsländern zugehen?

In der Haltung gegenüber der EU hat sich die Linkspartei immer grundlegend von allen anderen Bundestagsparteien unterschieden. So protestierte sie 1998 im Parlament unter Gregor Gysi mit Plakaten »Euro so nicht!« gegen dessen Einführung. Ausgerechnet jetzt, im Bundestagswahlkampf, der im Zeichen der Zuspitzung der Eurokrise geführt wird, droht die Linkspartei nun, diese prinzipielle Gegnerschaft aufzugeben.

 

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