Krise des Euro – was machen eigentlich die deutschen Gewerkschaften?

In Europa wächst die soziale Unruhe. Die Lohnabhängigen wehren sich gegen die von der EU diktierten Kürzungsauflagen. In Portugal, Belgien und in Griechenland kommt es zu Generalstreiks. Massenproteste werden auch aus Spanien, Italien und Rumänien gemeldet. Es steigt die Arbeitslosigkeit, das Renteneintrittsalter wird erhöht, Sozialleistungen gestrichen, der öffentliche Dienst abgebaut und Löhne unter Druck gesetzt. Welche Haltung nehmen in dieser Eurokrise die deutschen Gewerkschaften ein - wie steht es um die Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen in den Defizitländern?

Jedenfalls mangelt es nicht an guten Worten. Der Gewerkschaftskongress von ver.di verurteilte die Sparauflagen für die südeuropäischen Schuldnerstaaten und verlangte ihre Rücknahme: „Er fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, sich für ein sofortiges Ende der ökonomisch und sozial schädlichen Sparpolitik in den Schuldnerländern einzusetzen.“ Die Berichterstattung in der Gewerkschaftspresse unterscheidet sich wohltuend von der des Boulevard, in der die Betroffenen als Verantwortliche für die Malaise hingestellt werden. Auch mit dem ein oder anderen Vorschlag für die Lösung der Krise setzen sich die Gewerkschaften vom herrschenden Mainstream ab. So wird ein „Mashallplan zur Reindustrialisierung“ der Mittelmeerländer gefordert, und mit scharfen Worten wird gegen Spekulanten gewettert und deren Entmachtung – nicht jedoch die der Banken – gefordert.

Doch all das ist nur Rhetorik. In den entscheidenden Fragen steht man hingegen fest auf der Seite der herrschenden deutschen Politik. Deutlich wurde dies bei der Bundestagsabstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF im September 2011. Gemeinsam mit Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte DGB-Chef Michael Sommer die Abgeordneten auf, für den EFSF zu stimmen. Und in einer von den Einzelgewerkschaftsvorsitzenden unterschriebenen Erklärung hieß es: "Die Währungsunion ist ein Meilenstein der Europäischen Integration. Heute müssen wir Europa sozial und demokratisch weiterentwickeln. Dafür brauchen wir mehr Demokratie in Europa, eine demokratisch legitimierte Wirtschafts- und Finanzregierung, die Respektierung der Tarifautonomie und vor allem eine mutige Politik." Verschwiegen wurde hier, dass die geforderte europäische "Wirtschafts- und Finanzregierung" gerade deshalb von der Bundesregierung verlangt wird, um den Defizitländern Souveränitätsrechte zu nehmen und so den Sozialabbau zu beschleunigen. Man verschwieg auch, dass die Defizitländer immer erst dann Ratenzahlungen aus dem Rettungsschirm EFSF bekommen, wenn sie nachweisen können, dass sie beim Lohn- und Sozialabbau sowie bei Privatisierungen die von Brüssel verlangten Sollzahlen erbracht haben. Mit ihrer Haltung zum EFSF unterstützen die Vorsitzenden damit genau jene Politik, die sie an anderen Tagen auf Gewerkschaftskongressen so gern mit Worten scharf geißeln!     

Die unkritische Haltung der deutschen Gewerkschaften kommt nicht von ungefähr. Bei der Diskussion über die Einführung des Euro gehörte die IG Metall zu seinen eifrigsten Befürwortern. Grund dafür war das große Interesse der deutschen Automobilindustrie an der gemeinsamen Währung, profitiert sie doch vom Wegfall der Auf- und Abwertungsrisiken. IG-Metall Gewerkschaftschef Berthold Huber sprach in einem Interview des Deutschlandfunks offen aus, wie er denkt: „Wir sind die Gewinner des Euros und wir müssen als Bundesrepublik Deutschland größten Wert darauf legen, dass dieser Euro erhalten bleibt. Da fühle ich mich mit den Arbeitgebern ziemlich einig.“

Die deutschen Gewerkschaften versagen den Betroffenen nicht nur ihre Solidarität. Ihre seit Jahren geübte Lohnzurückhaltung verschärft obendrein die Krise, denn deutliche Lohnsteigerungen hier würden die Kaufkraft erhöhen, zu mehr Importen führen und damit auch den Defizitländern zu mehr Einnahmen verhelfen.

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