Kehrtwende

Das war keine gute Woche für die Eurokraten. Erst wählten die Isländer eine neue Regierung, die einen Beitritt zur EU strikt ablehnt. Und nun erklärt auch noch die Partei des werktätigen Volkes (Akel) Zyperns, dass sie sich in einem Referendum für den Austritt des Landes aus der Euro-Zone einsetzen will. Doch diese Parallelität ist nicht zufällig. Beide Inselstaaten wurden über Jahre von einer Finanzindustrie beherrscht, die die kleinen und schwachen Volkswirtschaften als Geisel nahm. Bereits 2008 brach das Modell in Island und jetzt auch in Zypern zusammen. Dass Island nicht Mitglied der EU oder gar der Euro-Zone ist, erwies sich danach als Segen: Das Land war von Brüssel nicht erpressbar. Es konnte von ihm nicht verlangt werden, dass es den unversehrten Bestand des Euro-Raums durch seine Mitgliedschaft weiter sichert. Außerhalb stehend, konnte es vielmehr unabhängig nach dem besten nationalen Weg suchen. Inzwischen wächst seine Wirtschaft wieder.

Als Mitglied des Euro-Gebiets erwartet Zypern ein anderes Schicksal. Das von der Troika aufoktroyierte Programm von Kürzungen und Privatisierungen wird die Insel schnell auf das elende Niveau des benachbarten Griechenlands herunterbringen. Da sollte es niemanden wundern, dass sich viele Zyprioten dieses Schicksal ersparen und dafür lieber den Euro aufgeben wollen. Ein Austritt müsste allerdings mit Brüssel ausgehandelt werden und wäre daher alles andere als einfach. Die zu erwartenden finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen sind zudem enorm. Und dennoch erscheint es vielen dort als der heute einzig gangbare Weg.

Womöglich wird es sogar die Mehrheit der Bürger so sehen, denn die Akel ist als große und starke Partei in der Bevölkerung gut verankert. Sie stellte bis Februar 2013 mit Dimitris Christofias den Präsidenten, und sie erreicht bei Wahlen regelmäßig um die 40 Prozent. Sie ist damit ähnlich stark wie die griechische Syriza. Doch die will Griechenland unter allen Umständen im Euro-Gebiet halten. Man setzt auf die großzügige Streichung griechischer Staatsschulden. Nur ist es wenig wahrscheinlich, dass sich Berlin, Paris und Brüssel darauf jemals einlassen werden.

Die Kehrtwende der Akel wird nicht ohne Rückwirkungen auf die europäische Linke bleiben, wo der Austritt eines Landes aus dem Euro bislang tabu ist. Die Akel ist Beobachter in der Europäischen Linkspartei und besitzt traditionell gute und enge Verbindungen zu anderen linken Parteien. Ihr Werben für einen Austritt könnte daher in Portugal, Spanien und natürlich in Griechenland, wo bislang nur die Kommunisten diesen Weg gehen wollen, Schule machen. Den deutschen grünen und linken Gesundbetern des Euro, die von der Illusion eines sozialen, demokratischen und friedlichen Europas nicht lassen wollen, ist anzuraten, sich jetzt mit Kritik zurückhalten. Dies verlangt schon der Respekt vor der Souveränität Zyperns.

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