Immer im Strom des Neoliberalismus

 »Finanzhaie würden FDP wählen«, mit diesem Spruch macht die SPD gegenwärtig für sich im Europawahlkampf Werbung. Doch können die Finanzhaie nicht auch mit der SPD ganz zufrieden sein? Schließlich folgte sie ja im Europäischen Parlament in den vergangenen fünf Jahren stets der neoliberalen Politik von Konservativen und Liberalen. Wieder und wieder hoben die Abgeordneten der SPD ihre Hand für weitreichende Deregulierungen auf den Finanzmärkten. Anträge, in denen gefordert wurde, die Heuschrecken aus Europa zu verbannen, den mörderischen Steuersenkungswettlauf einzustellen, den Spekulationswahn endlich zu stoppen und Steueroasen auszutrocknen, wurden von ihnen hingegen regelmäßig abgelehnt. Lieber war man, zusammen mit FDP und CDU/CSU, Teil einer großen Koalition der Neoliberalen im Parlament. Eine sozialdemokratische Handschrift war bei den Entscheidungen des Europäischen Parlaments zur Wirtschafts- und Währungspolitik jedenfalls nicht erkennbar.

Im sozialdemokratischen Europawahlkampf wird die Öffentlichkeit darüber aber im unklaren gelassen. Zur Wahl stellt sich die SPD lieber mit klassenkämpferischen Sprüchen gegen »Marktradikale« und »Finanzhaie«. Und die Abstimmung selbst wird zu einer »Richtungsentscheidung über Europa« (SPD-»Europamanifest 2009«) stilisiert. Doch mit ziemlicher Sicherheit werden die Sozialdemokraten auch nach den Wahlen, wie schon in den Jahren zuvor, erneut die enge Zusammenarbeit mit Konservativen und Liberalen suchen. Stimmen für die SPD sind daher im Ergebnis Stimmen für die Fortsetzung der neoliberalen Politik im Parlament. Das sollten die Wählerinnen und Wähler vor ihrer Entscheidung wissen.

Im folgenden werden einige Beispiele für das Abstimmungsverhalten der SPD-Europaabgeordneten in der Wirtschafts- und Währungspolitik im Zeitraum zwischen 2004 und 2009 dargestellt, schließlich soll man doch die Menschen, und das gilt ja erst recht für Politiker, an ihren Taten und nicht an ihren Worten messen.

 Regulierung der Finanzmärkte?

Reichlich radikale Worte findet die SPD in ihrem »Europamanifest 2009« zur Finanzmarktkrise:

»Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen: Märkte brauchen Regeln, damit sie für das bleibende Wohl der Menschen arbeiten - und zwar nicht einiger weniger, sondern möglichst vieler Menschen. Der Klimawandel und die tiefgreifende Krise der internationalen Finanzwirtschaft sind markante und mahnende Beispiele für den enormen Schaden, den das Gemeinwohl durch ein Versagen des Marktmechanismus nehmen kann. Sie zeigen auf das deutlichste: Die Marktideologie von Konservativen und Liberalen, die den Rückzug der Politik und die alleinige Macht der Märkte beschworen hat, ist endgültig gescheitert.

Die tiefgreifende Krise der Finanzmärkte, die die Welt derzeit erschüttert, stellt die bisherige Funktionsweise des internationalen Finanzsystems fundamental in Frage. Das über Jahre dominante marktliberale Modell der Deregulierung und Liberalisierung auf den internationalen Finanzmärkten, das ungehemmter Profitgier Tür und Tor geöffnet und eine Kultur der Maßlosigkeit befördert hat, ist endgültig gescheitert. Das eklatante Versagen der von Konservativen und Liberalen allzu oft und allzu lange beschworenen Selbstregulierungskräfte des Marktes hat dabei nicht nur die Finanzmärkte an den Rand des Abgrunds geführt. Die Finanzmarktkrise ist auch mit beträchtlichen Risiken für Wachstum und Beschäftigung in der realen Wirtschaft verbunden.«

Tatsächlich haben aber die Europaabgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion, unter ihnen die der SPD, die Schaffung eines europäischen Finanzdienstleistungsmarktes über all die Jahre ausdrücklich befürwortet. Wie dieser Markt strukturiert sein sollte, darüber verabschiedete das Parlament 2005 in einer Entschließung mit Zustimmung der SPD Leitlinien1. Der dieser Entschließung zugrunde liegende Bericht war von der niederländischen sozialdemokratischen Abgeordneten Ieke van den Burg verfasst worden. In der Entschließung wird im Paragraph 8 gefordert, »dass die Gesetzgebung das Vertrauen in die EU-Märkte bewahren und ein hohes Maß an aufsichtsrechtlicher Überwachung beibehalten, zur Stabilität des Systems beitragen, angemessene Verbraucherschutzniveaus, die den einzelnen betroffenen Risikoniveaus entsprechen, gewährleisten soll, die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beachten, den Wettbewerb fördern, gewährleisten, dass Regulierungsmaßnahmen effizient und förderlich für Innovationen sind und diese nicht entmutigen«.

Keine Rede dort also von den »beträchtlichen Risiken für Wachstum und Beschäftigung in der realen Wirtschaft« (SPD-»Europamanifest 2009«), die sich aus den internationalen Finanzmärkten ergeben. Im Gegenteil: Der Wettbewerb soll ausdrücklich gefördert werden. Regulierungsmaßnahmen sollen danach vor allem gewährleisten, dass sie effizient und »förderlich für Innovationen« sind »und diese nicht entmutigen«. Wohlgemerkt: Bei diesen »Innovationen« handelt es sich in erster Linie um die unseligen Praktiken der Verbriefungen von Forderungen, was bedeutet, dass Kreditrisiken so geschickt versteckt werden, dass sie für Käufer nicht mehr erkennbar und heute als toxische (giftige) Papiere nicht mehr handelbar sind.

Zur Schaffung eines Regulierungsrahmens für die Finanzmärkte heißt es in Paragraph 15 der Entschließung: Das Parlament »befürwortet einen schrittweisen, freiwilligen und induktiven Ansatz zur Standardisierung und Sicherung der Konvergenz der Vorgehensweisen im Hinblick auf den möglichen Aufbau europäischer Normen«.

Auch die sozialdemokratischen Abgeordneten befürworteten demnach einen »schrittweisen« und »freiwilligen Ansatz« beim »möglichen Aufbau europäischer Normen«. Die Finanzindustrie wurde aufgefordert, sich »freiwillig« selbst zu kontrollieren. Und europäische Normen sollte es überhaupt nur nach Möglichkeit geben. Heute hingegen beklagt die SPD »das eklatante Versagen der von Konservativen und Liberalen allzu oft und allzu lange beschworenen Selbstregulierungskräfte des Marktes« (SPD-»Europamanifest 2009«). Ebenso gut könnte sie Klage über ihr eigenes eklatantes Versagen führen.

»Heuschrecken« zurückgedrängt?

Private Beteiligungsgesellschaften (sogenannte Equity Fonds) sind spätestens seit dem Verdikt von Franz Müntefering als »Heuschrecken« in Verruf geraten. Und tatsächlich gehören diese Beteiligungsgesellschaften zu den übelsten Plünderern von Unternehmen und zu den schlimmsten Arbeitsplatzvernichtern. In ihrem »Europamanifest 2009« fordert die SPD denn auch: »Weiterhin müssen Hedgefonds und Private-Equity-Fonds deutlich effektiver kontrolliert und reguliert werden. Erforderlich sind mehr Transparenz, eine Offenlegung der Vermögens- und Eigentümerstruktur, verstärkte Aufklärungspflichten hinsichtlich der Risiken für Anleger sowie die Einschränkung einer übermäßigen Finanzierung durch Fremdkapital. Die Eigenkapitalanforderungen an Hedgefonds und Private-Equity-Fonds sind dazu zu verschärfen.«

Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament sahen dies zumindest 2005 noch ganz anders. In Paragraph 27 der Entschließung vom 28.4.2005 wurde festgestellt, dass »privates Beteiligungskapital zur Zeit einen großen Aufschwung erlebt«. Das Parlament »fordert die Kommission auf, diese Entwicklung zu beobachten, um ihren Beitrag zur Innovation und zum Wachstum der Wirtschaft zu verstärken«. Der »Beitrag« der Heuschrecken zu »Innovation« und »Wachstum der Wirtschaft« sollte also sogar noch »verstärkt« werden. Selbstredend stimmten die SPD-Europarlamentarier auch diesem Passus zu.

Bei soviel Wohlwollen gegenüber Hedgefonds und Private-Equity-Fonds ist es denn auch nicht verwunderlich, dass man keinen Handlungsbedarf für ihre Regulierung sieht. In der vorgenannten Entschließung des Parlaments heißt es in Paragraph 33: Das Europäische Parlament »nimmt die Maßnahmen des US-amerikanischen Wertpapier- und Börsenausschusses zur Registrierung der Hedgefonds-Manager und/oder -Berater zur Kenntnis und fordert die Kommission auf, zu prüfen, inwieweit entsprechender Handlungsbedarf in der Union besteht«. Mit anderen Worten: Man überließ es der EU-Kommission zu entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht. Und die sah dazu keine Notwendigkeit.

Nun könnte man argumentieren, dass dies ja alles im Jahr 2005, also vor Ausbruch der Finanzkrise, beschlossen wurde. Inzwischen habe auch die SPD dazugelernt. Schließlich heißt es in ihrem »Europamanifest 2009«: »Nun kommt es darauf an, dass die Krise als Chance begriffen und genutzt wird, einen grundsätzlich neuen, deutlich verbesserten politischen Ordnungsrahmen für die internationalen Finanzmärkte durchzusetzen. Wir brauchen nicht weniger als eine neue europäische und internationale Finanzarchitektur! Die entfesselten Finanzmärkte müssen an klare Regeln gebunden werden. Exzessive Profitstrate­gien gehören unterbunden. (...) Weiterhin müssen Hedgefonds und Private-Equity-Fonds deutlich effektiver kontrolliert und reguliert werden. Erforderlich sind mehr Transparenz, eine Offenlegung der Vermögens- und Eigentümerstruktur, verstärkte Aufklärungspflichten hinsichtlich der Risiken für Anleger sowie die Einschränkung einer übermäßigen Finanzierung durch Fremdkapital. Die Eigenkapitalanforderungen an Hedgefonds und Private-Equity-Fonds sind dazu zu verschärfen.«

Doch in der politischen Praxis hat man nichts gelernt. Erst Ende September 2008 stimmten die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament einer Entschließung über Private-Equity- (die »Heuschrecken« des Franz Müntefering) und Hedgefonds2 zu, in der diese Finanzmarktinstrumente erneut in unverantwortlicher Weise verharmlost werden. Der Zeitpunkt der Entschließung lag wohlgemerkt bereits mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Finanzmarktkrise, die auf Juli 2007 terminiert wird. Man hätte es also längst wissen können.

In dieser Entschließung, die auf dem Bericht von Poul Nyrop Rasmussen, seines Zeichens Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas, beruht, heißt es in der Erwägung F, »dass Hedgefonds und Private Equity alternative Investmentfonds von wachsender Bedeutung sind, die nicht nur einen erheblichen und zunehmenden Anteil an den verwalteten Vermögenswerten weltweit haben, sondern auch die Effizienz von Finanzmärkten durch die Schaffung neuer Anlagemöglichkeiten steigern«. Und in der Erwägung K kann man lesen, »dass Hedgefonds und Private Equity in vielen Fällen durch die Schaffung von Nachfrage nach innovativen Produkten, durch die Unterstützung der Preisfindung und durch die Diversifizierung der Märkte für Liquidität und für eine verstärkte Markteffizienz sorgen«.

Bei soviel Lob für Hedgefonds und Private Equity ist es wenig verwunderlich, dass man in der Entschließung keinen dringenden Bedarf für ihre strikte Kontrolle und für eine Regelung sah. Von der Kommission erwartete man lediglich, dass sie »die Auswirkungen des Handelns von Hedgefonds und Private Equity beobachten, analysieren und erwägen sollte, eine Richtlinie über Mindesttransparenzvorschriften zur künftigen Finanzierung von Investitionen, zu Risikomanagement, zu Bewertungsmethoden, zur Qualifikation der Manager und zu möglichen Interessenkonflikten sowie zur Offenlegung von Eigentumsverhältnissen und Registrierung von Hedgefonds vorzulegen«. Harmloser konnte man es nun wirklich nicht formulieren.

Sorge bereitete dem Parlament, dass die Eigner der Hedgefonds durch solche Mindesttransparenzvorschriften sich belästigt fühlen könnten. So heißt es in einer Erwägung der Entschließung, »dass Informationen über Hedgefonds-Belastungen und Kreditvergabe den zuständigen Aufsichtsbehörden ohne übermäßige bürokratische Vorgaben übermittelt werden sollten«. Und fast schon anrührend komisch mutet die Formulierung an, »dass die Gehaltssysteme für Manager von Hedgefonds und Private Equity möglicherweise als ungeeignete Anreize dienen, die eine verantwortungslose Risikobereitschaft fördern«.

Noch einmal: All diesen Formulierungen haben die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und damit auch die Abgeordneten der SPD ihre Zustimmung gegeben. Nichtsdestotrotz heißt es im »Europamanifest 2009«: »Bereits im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft sowie der G-8-Präsidentschaft Deutschlands in 2007 haben wir die Forderung nach klaren Regeln und mehr Transparenz auf den Finanzmärkten auf die internationale Tagesordnung gesetzt. Besonders die USA und Großbritannien haben sich damals aber gegen selbst kleine Fortschritte der Regulierung gesperrt. Die jetzige Krise hat diese Blockadehaltung als fatale Fehleinschätzung entlarvt.« Vergessen wurde nur hinzuzufügen, dass man dieser »fatalen Fehleinschätzung« als Partei selbst unterlag!

Ratingagenturen ohne Kontrolle

Mit ihren unkritischen Bewertungen haben Ratingagenturen unzählige gutgläubige Käufer von Finanzprodukten über die tatsächliche Wertlosigkeit der von ihnen erworbenen Forderungen getäuscht. Dies ist auch nicht verwunderlich, werden die Ratingagenturen doch von jenen Finanzdienstleistungsunternehmen bezahlt, deren Produkte sie bewerten.

Darüber macht sich auch die SPD Sorgen. In ihrem »Europamanifest 2009« schreibt sie: »Als weiteres wesentliches Element fordern wir, die Bedeutung von Ratingagenturen im europäischen Regelwerk herabzusetzen sowie eine verbesserte Regulierung und Aufsicht von Ratingagenturen europäisch und international durchzusetzen. (...) Eine europäische Agentur soll Ratingagenturen registrieren und kontrollieren.«

In der von den SPD-Europaabgeordneten unterstützten Entschließung vom 23.9.2008 setzte man hingegen auf die freiwillige Selbstregulierung. Dort hieß es: »Ratingagenturen sollten zur Steigerung von Transparenz und Verständnis auf dem Ratingmarkt Verhaltenskodizes hinsichtlich der Erkennbarkeit von Prognosen, Produktkomplexität und Geschäftspraktiken annehmen.«

Erst mit einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.4.2009 über Ratingagenturen3 ging man einen Schritt weiter. Darin wurden einige Vorgaben formuliert, an die sich Rating­agenturen in Zukunft zu halten haben. Allerdings ist dort von einer europäischen Aufsicht, wie im SPD-»Europamanifest 2009« gefordert, keine Rede. Auch in Zukunft bleibt es bei der nationalen und damit weiterhin aufgesplitterten Kontrolle. Die Parlamentarier der Sozialdemokraten stimmten dennoch zu.

Gegen Steuerdumping?

Vollmundig und kämpferisch heißt es im »Europamanifest 2009«: »Steueroasen und weitgehend regulierungs- und rechtsfreie Offshore-Finanzzentren, von denen sich einige auch in Europa befinden, müssen dringend trockengelegt werden. Europa muss hier seine besondere Verantwortung erkennen und durch gemeinsames Handeln wahrnehmen.«

Dem steht die überaus harmlose Formulierung aus der Parlamentsentschließung vom 24.10.20074 gegenüber, die von den Europaparlamentariern der SPD unterstützt wurde: »In der Erwägung, dass die Kommission die Möglichkeiten einer globalen Regulierung in Bezug auf von Offshore-Finanzzentren aus operierende Marktakteure prüfen sollte«. An Stelle klarer Regelungen wird auch hier wieder lediglich ein Prüfauftrag an die Kommission gegeben.

Zur übrigen Steuerpolitik kann man im »Europamanifest 2009« lesen: »Eine progressive Strategie für qualitatives Wachstum in Europa setzt darüber hinaus die finanzielle Handlungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten voraus. Sie müssen in der Lage sein, notwendige öffentliche Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sowie in eine tragfähige Infrastruktur zu tätigen. Die Qualität der öffentlichen Finanzen ist entscheidend für einen starken Staat, der auch mit dem öffentlichen Sektor einen Beitrag zu qualitativem Wachstum leistet. Es wäre fatal, wenn sich die europäischen Staaten durch ungehemmte steuerliche Konkurrenz untereinander, gerade bei den Unternehmenssteuern, gegenseitig der hierfür erforderlichen öffentlichen Finanzgrundlagen berauben. Das Wirtschaften im europäischen Binnenmarkt muss nach fairen Regeln verlaufen, Steuerdumping darf kein Raum gegeben werden. Wir treten deshalb für eine einheitliche Bemessungsgrundlage bei den Unternehmenssteuern ein, die eine Verschärfung des Steuerwettbewerbs mit Steuermindereinnahmen und den Verlust von Arbeitsplätzen für die deutsche Volkswirtschaft vermeidet. Dies muss zumindest in der Währungsunion durch gemeinsame Mindeststeuersätze flankiert werden. Als einen ersten Schritt in diese Richtung wollen wir den Verhaltenskodex gegen schädlichen Steuerwettbewerb weiter stärken und ausbauen.«

Man achte hier auf den genauen Wortlaut. Die SPD wendet sich ausdrücklich nur gegen eine »ungehemmte steuerliche Konkurrenz« und gegen »schädlichen Steuerwettbewerb« der Mitgliedstaaten untereinander, denn gegen eine steuerliche Konkurrenz und gegen einen Steuerwettbewerb an sich hat sie, wie mehrfach in den von ihr unterstützten Entschließungen deutlich wurde, nichts einzuwenden. Dass aber ein solcher, gern als »gesund« bezeichneter Steuerwettbewerb genau jenes Steuerdumping herbeiführt, dem man ja eigentlich »keinen Raum geben« will, verschweigt man lieber.

In seiner Entschließung vom 24.10.2007 hatte sich das Europäische Parlament grundsätzlich zur Steuerpolitik der EU geäußert. Es hielt danach für notwendig, »ein Umfeld für die staatliche Finanzpolitik zu schaffen, das günstig für Wachstum und Beschäftigung in der Wirtschaft ist, und einen gesunden Steuerwettbewerb in der Europäischen Union zu fördern, so dass die Steuerlast auf breiter Grundlage von Arbeitnehmern und Verbrauchern, Unternehmen und Beziehern von Einkünften aus Kapital geteilt wird«. Der darin enthaltenen Forderung nach einem »gesunden Steuerwettbewerb in der Europäischen Union« gaben natürlich auch die deutschen Sozial­demokraten ihre Zustimmung.

Und was die nun von der SPD in ihrem »Europamanifest 2009« geforderten »gemeinsamen Mindeststeuersätze zumindest in der Währungsunion« angeht, so wurde in der Entschließung ausdrücklich festgestellt, dass »gemeinsame Regeln für die Steuerbemessungsgrundlage (...) in keiner Weise die Freiheit der Mitgliedstaaten berühren wird, weiterhin ihre eigenen Steuersätze festzulegen«. Die Forderung der linken Fraktion GUE/NGL nach europaweiten Mindestsätzen für Unternehmenssteuern wurde hingegen auch mit den Stimmen der sozialdemokratischen Abgeordneten abgelehnt.

Auf den Wahlplakaten der SPD zu den Europawahlen findet sich nicht allein ein Haigesicht, versehen mit dem Spruch, dass es FDP wählen würde. Dort findet sich auch ein Fön, den man aufsagen lässt, dass er Die Linke wählen würde. Doch begäbe sich die SPD-Führung wirklich einmal auf die Suche nach heißer Luft, so würde sie in ihrem eigenen »Europamanifest 2009« zu den Wahlen zum Europäischen Parlament mehr als reichlich fündig werden.

1 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28.4.2005 zu dem derzeitigen Stand der Integration der Finanzmärkte (2005/2026 (INI))

2 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.9.2008 mit Empfehlungen an die Kommission zu Hedgefonds und Private Equity Fonds (2007/2238 (INI))

3 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.4.2009 über Ratingagenturen (2008/0217 (COD))

4 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24.10.2007 zu dem Beitrag der Steuer- und Zollpolitik zur Lissabon-Strategie (2007/2097 (INI))

 

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