Ein bisschen Frieden

Parteitag in Bielefeld: Gregor Gysi und das Forum Demokratischer Sozialismus wollen Die Linke anschlussfähig für SPD und Grüne machen. Im Ukraine-Konflikt setzt die Partei auf Äquidistanz.

Junge Welt vom 4. Juni 2015

Beim Linke-Parteitag in Bielefeld ist an diesem Wochenende einmal mehr Streit über die Friedens- und Sicherheitspolitik zu erwarten. Von seinem Ausgang wird es abhängen, ob sich Die Linke weiter auf SPD und Grüne zubewegt, um mit ihnen nach den Bundestagswahlen 2017 zusammenarbeiten zu können. Das ist jedenfalls der Plan des rechten Parteiflügels um das Forum Demokratischer Sozialismus. Und das ist auch das Ziel von Gregor Gysi, der in einem Interview mit der taz am 30. Mai erklärte, dass »sich unsere Partei strikt gegen Kriegseinsätze ausspricht. Wir könnten aber darüber reden, um welche es vor allem geht«.

Welche Position wird also Die Linke zu dem gegenwärtig wichtigsten Konflikt in Europa, wenn nicht gar in der Welt, zum Krieg in der Ukraine einnehmen? Wird sie an ihrer Position der Äquidistanz, des gleich großen Abstands zu beiden Seiten einschließlich der gleichmäßigen Verteilung der Schuld auf sie, vom Berliner Parteitag im Mai 2014 festhalten? Dafür spricht der Text des Leitantrags, vorgelegt vom Parteivorstand. Darin heißt es zum Ukrainekonflikt: »Die Linke bleibt dabei: Einseitige Schuldzuweisungen zeigen keinen Ausweg, bestenfalls sollen sie eigene Fehler der Vergangenheit verdecken. EU, NATO und Russland haben es versäumt, eine dauerhafte, tragfähige europäische Sicherheitsarchitektur auf den Weg zu bringen.« Russland trägt also Mitschuld daran, dass die »europäische Sicherheitsarchitektur« nicht errichtet wurde. Aber was ist mit den vielen Vorschlägen, die genau von dort seit mehr als 25 Jahren kommen? In dem Antrag wird »die Politik der Osterweiterung« von NATO und USA kritisiert. Dieses Verhalten »habe wesentlich zum Krieg beigetragen«. Dann aber heißt es direkt danach: »Und Russland tat das, was es in der Vergangenheit zu Recht in anderen Fällen energisch kritisierte: Es missachtete völkerrechtliche Prinzipien und verletzte die territoriale Integrität der Ukraine.« Da ist sie also wieder, die Äquidistanz.

Das passt zur Sicht des Parteivorstandes auf die gegenwärtige Welt: »Der Krieg in der Ukraine ist Teil einer tiefer gehenden Krise der alten Weltordnung. Die geopolitische Konkurrenz zwischen den Wirtschaftsblöcken um Wirtschaftsräume, knappe Ressourcen und ihre militärische Absicherung verschärft sich.« In der Nacht sind demnach alle Katzen grau, d. h. hier imperialistisch. Russland und wohl auch China gleichermaßen wie die USA und die EU konkurrieren als »Wirtschaftsblöcke um Wirtschaftsräume«. Auch hier gibt es keine Täter und keine Opfer. Damit wird die Linke anschlussfähig an den Mainstream der bundesdeutschen Medien und Politik.

Einen anderen Akzent setzt da der Antrag »Frieden statt NATO – Für eine Weltfriedenskonferenz«, nach dem in einem offenen Brief Michail S. Gorbatschow aufgefordert werden soll, eine Weltfriedenskonferenz zu initiieren. Einen solchen Appell ausgerechnet an Gorbatschow, den Partner von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher beim Abwracken der DDR, zu richten, ist schon ein wenig skurril. Doch die Positionen in dem Antrag sind eindeutig: »Keine Macht auf der Erde verficht ihre Interessen so massiv und aggressiv wie die NATO mit den Vereinigten Staaten an der Spitze. (…) Bitte unterstützen Sie unsere Forderung, dass Schluss gemacht wird mit der Praxis der USA und der NATO, überall in der Welt, wo es das Kräfteverhältnis zulässt und es ihren imperialen Interessen entspricht, zu bomben, mittels Drohnen zu morden und Soldaten zu schicken.«

Unter diesem Papier stehen mittlerweile 1.736 Unterschriften von Antragstellern und Unterstützern, darunter 148 aus 20 Ländern, davon allein 55 aus den USA. Alle Namen werden in den Parteitagsmaterialien aufgeführt. Ihre Nennung umfasst alleine 14 engbedruckte Seiten. Nun wollen einige der Initiatoren ihre Vorlage zurückziehen. Sie verweisen darauf, dass die Forderung nach einem Weltfriedenskongress in den Leitantrag aufgenommen wurde. Für den Herbst wollen sie nun gemeinsam mit der Friedensbewegung eine Konferenz »Frieden statt NATO« vorbereiten. In deren Zentrum soll die Forderung nach Auflösung des Kriegsbündnisses und nach einem sofortigen Austritt Deutschlands aus dessen militärischen Strukturen stehen (siehe jW vom 23. Mai 2015). Gegen die Nichtabstimmung wendet sich die Kommunistische Plattform (KPF), da der »Vorschlag, eine Weltfriedenskonferenz zu initiieren, untrennbar mit der unbeschränkten Ablehnung dieser Äquidistanz verbunden ist« (siehe jW vom 26. Mai 2015). Auch ein Antrag, in dem ein Friedensparteitag gefordert wird, der die »die außen- und friedenspolitischen Positionen der Partei (…) diskutieren und schärfen soll«, soll nicht zur Abstimmung gestellt werden.

Sollte all dies so kommen, so würde sich das Szenario der beiden letzten Parteitage wiederholen: Vom linken Flügel eingebrachte Alternativen zum Mitte-rechts-Kurs werden zugunsten windelweicher Formulierungen und um des lieben innerparteilichen Friedens willen im letzten Augenblick zurückgezogen. So war es mit einem alternativen europapolitischen Wahlprogramm auf dem Hamburger Parteitag im Februar 2014, und so war es mit einer eindeutigen Zurückweisung des aggressiven Kurses von USA und NATO in Berliner im Mai 2014. Zurück blieben regelmäßig frustrierte Mitglieder der Basis, die diese linken Positionen zuvor unterstützt hatten.

Zu den bemerkenswerten Anträgen des Parteitags zur Friedens- und Sicherheitspolitik gehört auch die Forderung, die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Partei mit der in Lobbyorganisationen zu beschließen, die die NATO unterstützen bzw. dem militärisch-industriellen Komplex zugeordnet werden. Dies ist eigentlich selbstverständlich, doch bekanntlich gehört der Linke-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich einer solchen Lobbyorganisation, der »Altantikbrücke«, an.

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