Durchsichtiges Spiel

Koalition und Euro-Krise

Wer ist schuld an der Krise des Euro? Natürlich, die Südländer und vor allem Griechenland. Das wollen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle, die Leute glauben machen. »Das Verhalten Griechenlands ist nicht in Ordnung«, so Brüderle in der Bundestagsdebatte am Donnerstag über die Ausweitung des europäischen Rettungsschirms. Das Land müsse sich an die vereinbarte Haushaltskonsolidierung halten oder es setze Konsequenzen: »Ohne Leistung keine Gegenleistung, so einfach ist es«. So einfach ist es auch für Wolfgang Schäuble: Athen müsse seinen Verpflichtungen nachkommen. Es handele sich »um eine ernste Situation«, verkündete der oberste Oberlehrer der Nation. Die starken Sprüche sind Teil einer Inszenierung, zu der auch die demonstrative Abreise einer Delegation der Troika wenige Tage zuvor aus Athen gehörte. Dieses Aufsichtsgremium von EU, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds will erst wieder zurückkehren, wenn das Land »seine Schulaufgaben« gemacht habe.

Die starken Worte im Bundestag sollen die Regierungsfraktionen bei der anstehenden Abstimmung über den Rettungsschirm zusammenhalten. Denn dort gibt es inzwischen einige, die den ewigen Versprechungen, alles werde gut, nicht mehr glauben. Manche unter ihnen sind sogar weiter als ihre Kollegen von SPD und Grünen. Sie weigern sich, der weiteren Sozialisierung der Staatsschulden der Defizitländer ihre Stimme zu geben. Mit wachsendem Ärger beobachten sie, wie Banken und Versicherungen ihre griechischen, portugiesischen und irischen Anleihen abstoßen, die dann prompt bei der Europäischen Zentralbank landen. Der Rettungsschirm dient dazu, dieses Vorgehen zu decken. Das Griechenland-Bashing im Bundestag soll von solchen Einsichten ablenken. Es ist ein böses, aber ein durchsichtiges Spiel.

Doch zu arg darf es die Regierung dabei nicht treiben. In Griechenland, Portugal und Spanien sind die Worte von Kanzlerin Merkel vom Mai des Jahres nicht vergessen. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Meschede hatte sie verkündet, dass man »in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland«. Und: »Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig«. Die New York Times erinnerte am 6. September in einem halbseitigen Artikel daran, dass es genau diese Worte waren, die Merkel Ansehen und Einfluss in ganz Südeuropa gekostet haben. Nicht vergessen wurde im Artikel der Hinweis, dass die so selbstherrlichen Deutschen eines Tages wieder auf die Fürsprache dieser so herablassend behandelten Länder angewiesen sein könnten. Etwa bei der Bewerbung Berlins um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

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