Blick von Links

Die vor einem Jahr aus Linkspartei.PDS und WASG gebildete Partei DIE LINKE ist erfolgreich. Sie ist inzwischen in der Bremer Bürgerschaft, im Hessischen und im Niedersächsischen Landtag sowie im Hamburger Landesparlament vertreten. Hinzu kam eine große Eintrittswelle. Im alten Bundesgebiet verdoppelte sich ihre Mitgliederzahl binnen kurzem auf 24.000. Besorgt sprechen bürgerliche Journalisten und Vertreter der etablierten Parteien von der wohl nicht mehr aufhaltbaren Herausbildung eines Fünfparteiensystems.

Wen wundert es da, dass die neue Partei Gegenstand zahlreicher Buchveröffentlichungen ist. Mit dem schmalen Band von Georg Fülberth ist nun ein weiteres Werk hinzugekommen. Es verdient besondere Aufmerksamkeit, wird doch hier von links auf die Partei geblickt. Georg Fülberth ist nämlich nicht nur emeritierter Professor für Politikwissenschaft, Autor zahlreicher Bücher und von Buch- und Zeitschriftenbeiträgen, er ist auch prominentes Mitglied der DKP. Und dort gibt es eine Diskussion über die LINKE und über das richtige Verhalten zu ihr. Eine solche Diskussion ist auch nicht vermeidbar, entsteht der DKP doch mit der LINKEN eine Konkurrenz nun auch auf ihrem angestammten Gebiet, der alten Bundesrepublik. Sichtbar wurde diese Kontroverse beim „Fall Christel Wegner", jener Abgeordneten der DKP, die auf dem Ticket der LINKEN in den Niedersächsischen Landtag kam, dort aber von der Fraktion ausgeschlossen wurde. In der DKP wurden aus diesem Ereignis zwei gegensätzliche Konsequenzen gezogen. Georg Fülberths Position markiert dabei die eine Sicht, sein Buch Die Linke liefert nun die Begründung dafür. Doch dazu später mehr.

„Die LINKE entstand aus dem Zerfallsprozess zweier ehemals großer Parteien: der SED und der SPD, und zugleich zweier Gesellschaftstypen: des `Realen Sozialismus´ in der DDR und des Wohlstandskapitalismus in der Bundesrepublik. Die Abwicklung der SPD war allerdings nur eine teilweise." Dies ist der Ausgangspunkt der Analyse Fülberths. Was er dabei zur Abwicklung der SED zu sagen hat, ist allerdings weder neu noch allzu tiefschürfend. Er stützt sich, was die ökonomische Krise der DDR angeht, faktisch nur auf das Buch von Jörg Roesler zur DDR-Wirtschaftsentwicklung . Aufmerksamkeit verdient aber Fülberths besondere Sicht auf die untergegangenen europäischen sozialistischen Gesellschaften. „Sozialismus konnte dort, wo er versucht wurde, keine eigene Ökonomik entwickeln" (17) Mit anderen Worten: Es gab also noch gar keinen Sozialismus. Dementsprechend fällt auch sein Urteil über den Gegenpart aus: „Noch ist der Kapitalismus insofern `weit genug´ für die Produktivkräfte, die bisher in ihm entwickelt wurden, als in seinem Rahmen keine Gegengesellschaft, die seine Überwindung alternativlos macht, sich herausgebildet hat." (17) Damit knüpft Fülberth an eine Geschichtsinterpretation an, die er unter Kurze Sprünge bereits in konkret ausgebreitet hatte, und nach der -zusammengefasst - der Kapitalismus noch ein langes Leben vor sich hat. Ganz ähnlich ökonomistisch hatten bereits die russischen Menschewiki auf die Oktoberrevolution reagiert. Es war Peter Hacks, dessen Gedicht über die PDS Doch wenn sich die Dinge ändern dem Buch von Fülberth als Untertitel dient, der darüber in „Georg Nostradamus oder Professor Fülberths Vorhersage" seinen Spott ausgegossen hat.

Die Kritik Fülberths an der Entwicklung der PDS/Linkspartei ist hart aber weitgehend zutreffend. Als präziser Beobachter beschreibt er eine Partei, deren Selbstvertrauen seit der Wende gebrochen war, und die selbst nicht mehr an ihre Ziele glaubte. Die von ihm gewählten Kapitelüberschriften nehmen bereits die Urteile vorweg: „Bruch mit dem Stalinismus, Verstellung der Ursachen" (17), „Stasi-Pingpong" (20), „Das ständige Flehen um Gnade" (21), „Trauriger Westen" (31), „Die Nachfahren einer permanenten Regierungspartei" (86).

Anders wird die Geschichte der SPD, der Grünen und des Linkssozialismus in der alten Bundesrepublik erzählt. Georg Fülberth lässt hierfür das politische Leben eines Funktionärs der SPD vorüberziehen. „Die Verbitterung des Unterbezirks-Sekretärs" (58) ist gezeichnet von ewigem Scheitern und Vergeblichkeit. Wiederholt muss der Protagonist in unterschiedlichsten Organisationen erleben, wie die Karrierewege verlaufen: Von links unten nach rechts oben, wobei sie alle von ihm profitierten, er aber am Ende als Aufrechter, Ehrlicher aber auch als der Dumme übrig blieb. Es ist eine Parabel, die hier erzählt wird. Die Lehre heißt: Seht her, so wie es dem Unterbezirks-Sekretär erging, so ergeht es auch euch. Eure Enttäuschung ist vorprogrammiert. Und das Programm lautet auf Wiedereingliederung der neuen Partei in die alte Sozialdemokratie. Und das Pendant zum ehemaligen sozialdemokratischen Unterbezirks-Sekretär im Westen sind die „Mitglieder der bisherigen PDS, die immer überzeugte Sozialistinnen und Sozialisten gewesen sind und sich nicht nur durch den Niedergang der DDR, sondern auch durch das Verhalten der Führung um Gysi gedemütigt sahen." (147)

Wie bewertet nun Georg Fülberth die 2007 entstandene neue Partei? Bezeichnend ist seine skeptische, negative Sicht auf das Wirken Oskar Lafontaines. So widmet er Lafontaines „Missetaten" breiten Raum. Dies beginnt mit der unvermeidlichen Kritik an der „Fremdarbeiterrede" in Chemnitz, die für Fülberth sogar in „Kontinuität seiner (Lafontaines, AW) Positionen" steht, die in der „Vorstellung von einer notwendigen Kartellierung von Arbeitskraft liegen". (83) Unterstellt wird Lafontaine, dass er „den Begriff zwar nicht weiter verwendet, aber gewiss die Sympathien, die er latent von rechts für die frühere Redeweise erhielt, durchaus gern mitgenommen" hat. (84) Nicht zur Kenntnis genommen werden hier von ihm die tatsächlichen Hintergründe und der wirkliche Ablauf der Debatte um diese „Fremdarbeiterrede". In einer ausführlichen Analyse darüber heißt es: „Die kollektive Exegese des von Lafontaine benutzten Begriffes war so inszeniert wie der Skandal. Dabei fand eine klassische Wechselwirkung statt, die vielleicht Kalkül war: Erst die Skandalisierung des Begriffs machte diesen für die neonazistische NPD interessant. Nachdem die Propagandakolonne durch den Blätterwald gezogen war, griff die NPD das Wort auf und pappte es auf ihre Plakate, was nun wiederum den Empörern, die die Welle ausgelöst hatten, als Beweis galt, dass Lafontaine ein Rechter sei." Auch die angebliche Verteidigung der Folter durch Lafontaine in einer Kolumne der Bild-Zeitung aus 2004 wird von Fülberth wieder aufgewärmt. (84) Schließlich werden Lafontaine auch noch die Positionen seiner Ehefrau Christa Müller indirekt zugerechnet. Fülberth schreibt: „Im Sommer 2007 löste seine Ehefrau, Christa Müller, zugleich familienpolitische Sprecherin der Linken im Saarland, eine heftige Debatte aus." (116) Anschließend werden von ihm die Positionen Müllers in aller Breite abgehandelt, um schließlich zum Ergebnis zu kommen: „Christa Müllers Politik ist in der Linken ganz offensichtlich nicht mehrheitsfähig." (117)

Georg Fülberth setzt bei der Beschreibung des Wirkens Lafontaines die Akzente mithin ganz ähnlich wie die sogenannten Reformer im Forum demokratischer Sozialismus der LINKEN um Stefan Liebich, Katina Schubert, Petra Pau, Matthias Höhn, Klaus Lederer und andere. Auch dort wird versucht, mit der Kritik an den umstrittenen Positionen Christa Müllers zugleich Lafontaine zu treffen. Und auch hier wird immer wieder die Chemnitzer Rede und der Vorwurf der Verteidigung der Folter hervorgeholt. In einem Kommentar der Tageszeitung (taz) werden die Vorwürfe der „Reformer" gegenüber Lafontaine wie folgt beschrieben: „Sie kritisieren, dass er links und rechts des Weges alles einsammelt, was der Linkspartei Erfolg verspricht. `Einkaufswagenpolitik´ nennen sie das süffisant."

Wenig hat Fülberth hingegen über die tatsächliche Wirkung Lafontaines in der neuen Partei zu sagen. Dabei wäre hier viel zu berichten gewesen, sind doch die spektakulären Erfolge der neuen politischen Formation ohne sein Wirken schlicht nicht vorstellbar. Dies gilt vor allem für die Festlegung der Partei auf Essentials (rote Linien), ohne deren Erfüllung es erst gar nicht lohne, auch nur erste Gespräche mit der SPD über eine Zusammenarbeit aufzunehmen. Dies gilt für Lafontaines wiederholte Kritik an der Regierungspraxis in Berlin. Dies gilt für seine offene Kritik an der Politik der Privatisierung des Wohnungsbestandes der damaligen Linkspartei.PDS in Dresden und dies gilt für seine entschiedene Gegnerschaft gegenüber dem europäischen Verfassungsvertrag und jetzt Lissabonner Vertrag. All dies und noch viel mehr hat erst die Öffnung der Partei gegenüber dem Westen und ihre Erfolge dort gebracht. Damit sind zugleich diejenigen, die aus der Linkspartei.PDS kommend auch die neue Partei auf einen Kurs der Anpassung an die SPD festlegen wollen, in die Defensive gebracht worden.

Ganz anders als Georg Fülberth sieht Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform in der LINKEN die Rolle Lafontaines. In einer Auswertung des Cottbusser Parteitags der LINKEN vom Mai 2008 schreibt sie: „Heute sehe ich vor allem Oskar Lafontaines Engagement in den letzten zwei, drei Jahren: Er wirkte und wirkt zutiefst im Interesse der Linken in Deutschland und darüber hinaus. Dafür gebührt ihm Dank und Solidarität; nicht Euphorie." Und sie fügt hinzu: „Die eigentliche Probe aufs Exempel steht noch aus." Anschließend stellt sie realistische Szenarien vor, die das ganze Projekt noch gefährden können und kommt zu dem Schluss: „Aber wer heute nicht sieht, dass sich diese Partei nach links bewegt - und das ist untrennbar mit Lafontaine verbunden - der trägt den Realitäten nicht Rechnung. Der Weg der LINKEN ist nach vorne offen."

Breiten Raum in Fülberths Buch nehmen die Konflikte innerhalb der LINKEN ein, in denen es um ehemalige Kommunisten, wie Peter (Piet) Metz in Hessen, oder wo es, wie bei Christel Wegner in Niedersachsen, um ein Mitglied der DKP ging. Diese Abschnitte gehören zu den informativsten des Buches. Wo kann man etwa in voller Länge das nachlesen, was Piet Metz am 26.08.2007 in seiner Vorstellungsrede in Marburg wirklich gesagt hatte? Fülberth gibt die Rede in voller Länge wieder (94 f.) und stellt damit zugleich diejenigen bloß, die in der Partei vorschnell zur Verurteilung von Metz schritten und ihn schließlich zum Rückzug brachten. Ähnlich akribisch verfährt Fülberth mit den Äußerungen von Christel Wegner in der ARD-Sendung Panorama am 14.02.2008. Seine Einschätzung, dass „die Äußerungen von Christel Wegner in Kommentare und Fragen eingebettet wurden, die zu ihnen meist nur in einem von der Redaktion arrangierten Verhältnis standen" (104) werden durch mittlerweile vorliegende Informationen seitens der ARD gestützt. Richtig gesehen wird von Fülberth auch, dass die innerparteiliche Skandalisierung der Wegnerschen Äußerungen vor allem dem Zweck dienten, „Diether Dehm (den Landesvorsitzenden der LINKEN in Niedersachsen, AW) in Schwierigkeiten zu bringen". (107) Der Konflikt um Wegner hat mittlerweile zu einer Festlegung der LINKEN auf ihrem Parteitag am 24. und 25. Mai 2008 in Cottbus geführt. Dort heißt es in der Erklärung „Eine starke Linke für eine andere, bessere Politik": „Auf den Listen der Partei DIE LINKE für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen kandidieren Mitglieder der Partei DIE LINKE und parteiungebundene Persönlichkeiten." Dies ist aber nicht mehr als eine Empfehlung, da die Landesverbände bei der Aufstellung ihrer Kandidatenlisten für Landtagswahlen frei sind.

Doch obwohl die Chancen heute, Monate nach der Skandalisierung durch die Medien, nicht schlecht stehen, unaufgeregt auf die wirklichen Aussagen Christel Wegners zurückzukommen, zeigt Georg Fülberth offensichtlich gar kein Interesse daran. „Das Tischtuch war unwiderruflich zerschnitten. Christel Wegners Interview war hierfür nur der Anlass, nicht die Ursache." (104) Als Beleg dafür wird von ihm lediglich ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) angeführt, in dem der langjährige Berliner Vorsitzende der Linkspartei.PDS, Stefan Liebich zitiert wird, der sich „grundsätzlich gegen Bündnisse mit einer `konkurrierenden Partei´ aussprach." Die Entscheidung über die Frage, ob es auch in Zukunft zu einer Zusammenarbeit zwischen beiden linken Parteien kommen soll und darf, wird demnach von Fülberth einem Politiker der LINKEN aus der zweiten Reihe, wenn nicht sogar gleich der FAZ überlassen. Der „Schnitt durch das Tischtuch" scheint in sein Konzept zu passen, da er in der Abgrenzung seiner Partei gegenüber der LINKEN offensichtlich ein Mittel zu ihrer Stärkung sieht. „Dass ihre Mitglieder (der DKP, AW) zu Bundestags- und in absehbarer Zeit auch zu Landtagswahlen nicht mehr auf Listen der LINKEN kandidieren können, ist realistischer Ausdruck sowohl der Stärkeverhältnisse als auch der Unterschiede zwischen beiden Organisationen." (161) Bildlich fordert Fülberth auf, „den Stecker zu ziehen". Der Parteivorsitzende der DKP, Heinz Stehr, widersprach ihm da allerdings, und das zu Recht.

Fülberth führt die Diskussion um die Perspektive der LINKEN unter der Fragestellung, ob es ihr gelingt, eine soziale Schicht, etwa das Prekariat, an sich zu binden. „Die künftige Stellung einer neuen linken Partei wird letztlich davon abhängen, ob sie eine Funktion für eine Schicht oder Klasse haben wird, die durch die konkurrierenden Parteien sich nicht in ausreichendem Maß vertreten sieht und deshalb bereit ist, die Partei zu unterstützen." (131) „Es ist denkbar, dass das Prekariat in ähnlicher Weise eine Massenschicht wird wie die Intelligenz." (142) Diese Schicht der „Mittelklasse-Intelligenz" hat nach Fülberth ihre feste parlamentarische Vertretung inzwischen bei den Grünen gefunden. Bei der LINKEN wird ein „Bemühen um soziale Protestbewegungen" konstatiert, doch sei die Verankerung tatsächlich nur schwach ausgeprägt. „Für die LINKE heißt das, dass es - anders als die anderen Parteien - nach wie vor keine Kernschicht für sie gibt. Ihre Wählerbasis im Osten ist eher regional als sozial definiert. Allerdings findet sich hier eine besonders große Schnittmenge zu ehemals lohnabhängigen Teilen des Prekariats. So ist nicht ausgeschlossen, dass DIE LINKE eine temporäre Flugsandpartei ist: bei ihr sammeln sich bislang vor allem diejenigen, die eine teilweise bessere Vergangenheit mit der Gegenwart vergleichen können." (144) An anderer Stelle wird DIE LINKE von ihm auch als „Gelegenheitspartei" (151) bezeichnet.

So richtig die Feststellung ist, dass die Verankerung der neuen Partei unter den sozialen Protestbewegungen und unter denen, die man neuerdings als Prekariat bezeichnet, unzureichend ist, so ist damit noch nichts über die Überlebensfähigkeit und wenig über die Perspektive der LINKEN gesagt. Wichtig sind nämlich auch die ideologischen Bindungen und die Traditionen der Aktiven, anders ausgedrückt: Von Bedeutung für ihre Perspektive ist das Bewusstsein ihrer Mitglieder und Anhänger, sich in einem großen geschichtlichen Strom einer Emanzipationsbewegung zu bewegen, in dem die eigene Stellung in Klassenkämpfen definiert wird. Nicht zufällig geht es etwa beim gegenwärtigen Streit in der italienischen Rifondazione Comunista auch um die Frage, ob die Partei sich wieder zu ihren Symbolen Hammer und Sichel bekennen soll. Und für die Mitglieder der Linkspartei.PDS war der Erhalt des Begriffs „Demokratischer Sozialismus" bei der Vereinigung mit der WASG wichtig. Die Perspektive der LINKEN hängt daher auch davon ab, ob sie bereit und fähig ist, sich in die Kontinuität der sozialistischen Tradition der Arbeiterbewegung zu stellen. Hier liegt in der Partei vieles im Argen. Es fehlt an einem unverkrampften Bezug auf die eigene Vergangenheit, es fehlt auch an einer adäquaten Bildungs- und Theoriearbeit. Das gewollte unverbundene Nebeneinander unterschiedlichster, oft nur modischer Geistesströmungen könnte für den Zusammenhalt der Partei in Abschwung- oder Krisensituationen durchaus gefährlich werden.

Was die Perspektive der LINKEN angeht, so steht sie für Georg Fülberth fest. Ihr Aufstieg stellt lediglich eine „Spaltung des sozialdemokratischen Potentials" dar, mit der sich die SPD „eben für einige Zeit abfinden müsse." (129) Nach ihm kann „das Verhältnis von Linkssozialisten zur SPD nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Absplitterung betrachtet werden. In Wirklichkeit gibt es drei Tendenzen: Repulsion (Abspaltung, AW), Attraktion, Kohäsion." (63) Bis auf die KPD führten dem folgend alle Abspaltungen und Loslösungen von der SPD am Ende doch wieder in den Schoß der Sozialdemokratie zurück. Es handelt sich demnach nur um einen „Haar-Riss im sozialdemokratischen Potential". (153) Sowohl SPD als auch die LINKE bewegen sich innerhalb eines „weit gegliederten sozialdemokratischen Feldes". (159) Und so wird von ihm eine Wiedervereinigung der deutschen Sozialdemokratie durchaus für wahrscheinlich gehalten. „Erst über den Umweg durch die Opposition ist bei der SPD jene Kurskorrektur zu erwarten, die Lafontaine zur Vorbedingung für seine Unterstützung eines sozialdemokratischen Kanzlers macht. Ist es irgendeinmal so weit, mag sich die Frage nach einer Wiedervereinigung der deutschen Sozialdemokratie stellen." (159)

Ähnlich argumentiert auch Hans-Peter Brenner in einem Artikel der Marxistischen Blätter. Auch er geht davon aus, dass es sich bei der LINKEN um eine „zweite (links-) sozialdemokratische Partei" handelt. Oskar Lafontaine sieht er sogar als „Retter" einer fiktiven Gesamtsozialdemokratie. „Ich spreche von `Sozialdemokratie´ und nicht von der SPD. Spätestens bei den übernächsten Bundestagswahlen im Jahre 2014 wird sich diese Behauptung bewahrheitet haben. Denn Lafontaine dürfte es bis dahin geschafft haben, die jetzige zweite (links-) sozialdemokratische Partei DIE LINKE, so weit mit einer sich re-sozialdemokratisierenden SPD zu versöhnen, dass einem Zusammenschluss oder einer anderen Form von `Bluttransfusion´ und damit der `Wiederauferstehung´ der Sozialdemokratie kaum noch etwas im Wege stehen dürfte. Damit wird man ihn zu Recht zu einer `historischen Figur´ der Sozialdemokratie ernennen dürfen."

Ist von Fülberth und Brenner auf diese Weise erst einmal eine Gesamtsozialdemokratie, zumindest in der Perspektive, konstruiert, so lässt sich der Standort der eigenen Partei, der DKP, jenseits von beiden sozialdemokratischen Parteien verorten. Brenner geht dabei so weit, in dieser Situation für die „Politik der Aktionseinheit der DKP (...) durchaus neue Chancen" zu sehen. „Eine sich `re-sozialdemokratisierende´ SPD und die sich andeutende Kooperation zwischen den beiden gegenwärtigen sozialdemokratischen Formationen kann für Kommunisten nur ein Ansporn dafür sein, mit den eigenen Politikangeboten offensiv an die Sozialdemokratie in ihrer ganzen Breite - also nicht nur an die Linkspartei - als eine auch künftig bedeutsame und wohl auch noch lange dominierende Strömung in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung heranzutreten." Man kann gespannt darauf sein, wie die SPD eines Kurt Beck, Frank Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles auf dieses „Politikangebot der DKP" reagieren wird. Wird etwa die SPD dazu bereit sein, Mitglieder der DKP auf ihre Listen zu nehmen? Wohl kaum. So stellt sich am Ende die Frage, ob Fülberth und Brenner mit ihrer bewusst gewollten Distanzierung in Reaktion auf die Ablehnung der DKP durch einen Teil der Partei die LINKE ihren eigenen Parteimitgliedern nicht Steine statt Brot verkaufen, ob sie die DKP nicht in eine Isolation führen statt sie an der real existierenden LINKEN aufzurichten.

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