Am EU-Gängelband

Brüssel stellt mehr Mittel zur Stützung der Zahlungsfähigkeit von in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedern bereit - inklusive schärfere Kontrollen.

Die weltweite Krise bringt immer mehr Mitgliedsländer der Europäischen Union in Haushaltschwierigkeiten. Nach Ungarn und Lettland ist es jetzt Rumänien, das um Hilfe nachsucht. Und mit Sicherheit wird es nicht bei diesen drei EU-Staaten bleiben. Erhielten Ungarn 6,5 Milliarden und Lettland 3,1 Milliarden Euro aus Brüssel, so wollen die EU-Finanzminister auf ihrem nächsten Treffen am 5. Mai 2009 beschließen, Rumänien bis zu fünf Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.

Geld aufgestockt
Der für solche Zwecke vorgesehene Kapitalbetrag für Darlehen an Mitgliedsländer außerhalb des Euroraums (geregelt in der Verordnung Nr. 332/2202 vom 18.Februar 2002 zur Umsetzung von Artikel 118 EG-Vertrag) war im Jahr 2002 von 16 auf 12 Milliarden Euro gesenkt worden. Da mit dem Inkrafttreten des Euro die Staaten innerhalb der Eurozone von diesem Stützungsfonds nicht mehr Gebrauch machen können, hielt man das damals für richtig. Die Erweiterung der EU 2004 um Staaten, die bis heute außerhalb der Eurozone sind, vor allem aber die aktuelle Wirtschaftskrise, erfordern aber ein Umdenken. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Hilfen für Ungarn war die Höchstsumme Ende 2008 bereits auf 25 Milliarden Euro angehoben worden. Mit der jetzt von der Kommission vorgeschlagenen Änderung der Verordnung 169 wird der Betrag auf 50 Milliarden Euro verdoppelt. Offensichtlich will man in Brüssel für künftige Haushaltsschwierigkeiten weiterer Mitgliedsstaaten ausreichend gerüstet sein. Mit einer Entschließung vom 24. April 2009 hat das Europäische Parlament seine Zustimmung zu dieser Änderung gegeben.

Diese Hilfen zur »Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten« werden aber nicht ohne Bedingungen gewährt. Schon bisher mussten die Empfängerländer ein Sanierungsprogramm vorlegen, um »eine tragbare Zahlungsbilanzsituation wiederherzustellen oder zu gewährleisten«. Mit der nun erfolgten Änderung der Verordnung werden diese Auflagen verschärft. Zukünftig unterzeichnen »Kommission und der betroffene Mitgliedsstaat eine Absichtserklärung über die vom Rat festgelegten Bedingungen« (Artikel 3a des Verordnungsvorschlags KOM[2009)169]. Auch müssen sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, zukünftig »uneingeschränkt mit der Kommission zusammenzuarbeiten« (so der neugefasste Artikel 5 der Verordnungsvorschlags KOM[2009]169). Mit anderen Worten: Die finanzpolitischen Daumenschrauben werden angezogen.

Die EU bestimmt demnach mit der Gewährung »finanziellen Beistands« direkt bei der Formulierung der Haushaltspolitiken von in Not geratenen Mitgliedsstaaten mit. Bisher bestehende nationale Souveränitätsrechte werden auf dieses Weise ausgehebelt. Die Europäische Kommission nimmt sich dabei Rechte heraus, wie sie bisher nur der Internationale Weltwährungsfonds (IWF) besitzt. Mit seinen gefürchteten Strukturanpassungsprogrammen verpflichtet der IWF im Gegenzug für Kredite regelmäßig die betroffenen Staaten zu drastischen Sparmaßnahmen vor allem bei den Sozialleistungen. Ziel ist dabei immer, die Schuldner anzuhalten, ausstehende Kredite termingemäß in voller Höhe an die Gläubiger in den reichen Ländern zurückzuzahlen. Wie das konkret im Fall Rumäniens aussieht, hat EU-Währungskommissar Joaquin Almunia bereits verkündet. Das Haushaltsdefizit darf dort im laufenden Jahr 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. 2011 muss das Defizit wieder unter die Maastrichter Marke (Stabilitätspakt der Eurozone) von drei Prozent fallen. Man sieht: Mit Hilfe des »finanziellen Beistands« bekommt die Kommission ein sehr viel effektiveres Instrument zur Verpflichtung der Mitgliedsstaaten auf Einhaltung der Maastricht-Kriterien in die Hand, als es die regelmäßig erfolglosen Defizitverfahren wegen Verletzung der Stabilitätskriterien sind. Doch dieses neue Instrument ist nur gegen die in Haushaltsnot geratenen Länder einsetzbar. Reichere Länder mit vergleichbar hohen Defiziten bleiben hingegen verschont.

Rolle der Banken
Unerwähnt bleibt in der Regel, dass die von einer Haushaltsnotlage betroffenen Länder keineswegs allein verantwortlich für ihre Situation sind. So ist es kein Geheimnis, daß Ungarn erst durch die Auflösung von Guthaben österreichischer Banken im Nachbarland aus dem Gleichgewicht geriet. Bereits in seiner Entschließung vom November 2008 hatte daher das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, eine Analyse der »Auswirkungen des Verhaltens von Banken vorzulegen, die ihre Vermögenswerte aus den in jüngster Zeit beigetretenen Mitgliedstaaten transferiert haben«. Bislang wurde eine solche Analyse aber nicht präsentiert. In seiner Entschließung vom 24. April wiederholt denn nun das Parlament in Paragraph 2 seine Forderung. Man darf gespannt darauf sein, ob die Studie nun endlich vorgelegt wird.

Gefordert wird vom Parlament auch, dass es »über die Absichtserklärungen unterrichtet wird, die zwischen der Kommission und den betroffenen Mitgliedstaaten abgeschlossen werden und in denen die Bedingungen für die Darlehen im Detail aufgeführt werden« (Paragraph 12 der Entschließung). Auch hier darf man gespannt darauf sein, ob und wann dies geschieht. Denn mit Sicherheit hat die Kommission kein Interesse zu offenbaren, wie ihre auferlegten Bedingungen zu drastischen Kürzungen auch in den Sozialhaushalten der betroffenen Länder führen und damit sehr denen des IWF ähneln.

 

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