Souveränität verteidigt

Es gibt die Linke in Europa noch. Und sie kann siegen. Der Schwung der Europawahlen vom Mai, der die Linken stärker als die Grünen werden ließ, hält an. Es gibt keinen Automatismus, nach dem in Krisenzeiten immer nur die Rechte gewinnt. Die griechischen Neofaschisten haben am Sonntag sogar Stimmen eingebüßt. Das ist beruhigend.

Der Erfolg von Syriza, der Aufstieg von Podemos in Spanien sowie der irischen Sinn Féin sind Antworten auf die imperialistische Unterdrückungspolitik, die von Berlin ausgeht und von der Troika exekutiert wird. »Griechenland oder Merkel« lautete denn auch der Slogan von Syriza. Die Linksparteien der europäischen Peripherie beginnen, die Souveränität ihrer Nationen zu verteidigen. Das ist alles andere als ein Rückfall in den Nationalismus.

Doch springen die Linken jetzt zu kurz, so bleiben ihre Erfolge Scheinblüten und enden in sozialdemokratischem Politikmanagement. Substantielle Zugeständnisse werden die Herrschenden in Brüssel und Berlin ihnen nämlich nur dann machen, wenn sie selbst einen Preis für ein Festhalten am Kurs der Troika zahlen müssen. Solch ein Preis wäre der Austritt Griechenlands aus dem Euro, der schnell zu einer Erosion der gesamten Währungszone führen könnte. Käme dann noch ein einseitiger Schuldenschnitt hinzu, so wären viele der Milliarden verloren, die seit 2010 an Athen gingen. Dadurch, dass Alexis Tsipras auf diese Option verzichtet hat, schwächte er seine eigene Verhandlungsmacht.

Fraglich ist, ob er jetzt überhaupt noch auf einem weitreichenden Schuldenschnitt und einem Ende der Troika-Politik beharrt. Beunruhigen muss hier ein Interview des SPD-Europapolitikers Martin Schulz im Deutschlandfunk, in dem er von einem langen Telefonat mit Alexis Tsipras bereits in der Wahlnacht berichtete. Nach Schulz sei er ein Pragmatiker, »der ziemlich genau weiß, dass er auch Kompromisse eingehen muss« – und zwar nach innen wie nach außen.

In eine andere Richtung deutet hingegen die Entscheidung von Tsipras, mit der Partei der Unabhängigen Griechen eine Koalition einzugehen. Diese konservative Kraft entstand aus einer Abspaltung der bisherigen Regierungspartei Nea Dimokratia und vertritt einen strikt die staatliche Souveränität betonenden und Euro-kritischen Kurs.

Sollte Tsipras am Ende von seinen zentralen Wahlkampfversprechen abrücken, würde dies zu breiter Enttäuschung und Demobilisierung seiner Anhänger führen. Auch eine Spaltung von Syriza wäre dann nicht mehr ausgeschlossen. Bei einer solchen Entwicklung wären auch die griechischen Kommunisten gefordert, die sich am Sonntag nicht nur behaupten, sondern sogar leicht verbessern konnten.

 

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