Macrons EU-Rede: Falsche Visionen zum falschen Zeitpunkt?

Emmanuel Macron hat am 26. September 2017 seine Vision für Europa von morgen vorgestellt. Für den Autor und Europa-Experten Andreas Wehr kommen die Vorschläge zum falschen Zeitpunkt. Er glaubt nicht, dass der französische Präsident damit viel erreichen wird.

Als "zu langsam, zu schwach, zu ineffizient", bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron die Europäische Union (EU) in seiner Grundsatzrede in der Pariser Universität Sorbonne. So würde auch Wehr den Zustand der EU bezeichnen. Der Buchautor („Der kurze griechische Frühling“) sieht große Probleme in der EU, fragt sich aber, ob die Lösungsansätze von Macron die richtigen sind:

„Wir haben die Situation in der Asylfrage. Einige Länder steuern einen ganz anderen Kurs als die EU, etwa die sogenannten Visegrád-Staaten: Polen, Ungarn, Tschechische Republik und die Slowakei. Wir haben die nichtausgestandene Krise um Griechenland und den Brexit. Es gibt viele Probleme, und da stellt sich die Frage, ob so ein Vorschlag von Macron, mit weitreichenden Veränderungen der Institutionen der Eurozone, im richtigen Augenblick kommt."

Die zentralen Aussagen von Macron in der Wirtschafts- und Finanzpolitik seien bereits zurückgewiesen worden, erklärt Wehr, und die CDU halte sich sehr zurück. Um dem französischen Präsidenten aber etwas entgegen zu kommen würde man wahrscheinlich sagen, im Asylbereich, bei der Sicherung der Außengrenzen und in dem Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik könne man sich einigen.

Wehr könnte sich vorstellen, dass man zwar im Kern seinen Vorstellungen nicht folgen werde, aber in diesen Bereichen ein bisschen nachgeben werde. Sogar die FDP, die immer als großer Bremser in der möglichen zukünftigen Koalition dargestellt werde,  sei durchaus ein Befürworter eines gemeinsamen Vorgehens in der Außen- und Sicherheitspolitik und einer gemeinsamen Armee. Auch in der CDU könnte es eine gewisse Akzeptanz dafür geben.

Die vor kurzem von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erhobene Forderung nach einer Stärkung und Vergrößerung der Eurozone müsse man zwar ernst nehmen, doch auch dieser Vorschlag sei in Berlin auf Skepsis gestoßen. Wehr kommentiert:

„Die Überlegung, Polen, Ungarn oder sogar Rumänien und Bulgarien in den Euroraum aufzunehmen, wurde von vielen sehr kritisch gesehen. Man befürchtet, dass man damit Länder hereinholen werde, die ähnlich schwach wie Griechenland oder Portugal seien. Da wird man nicht mitgehen."

Auch die jetzige Forderung Macrons nach einem eigenen Budget für die Eurozone werde Berlin nicht akzeptieren, denn das bedeutete gewissermaßen eine Umverteilung, die von den stärkeren Staaten erbracht werden müsste. Wehr glaube nicht, dass das akzeptiert wird.

Macrons Vorstellungen seien zwar  visionär, aber er komme mit seinen Vorstellungen zum falschen Zeitpunkt, schlussfolgert Wehr. Die EU habe eine Menge anderer Probleme und müsse diese erst einmal lösen. 2019 wird das EU-Parlament neu gewählt und anschließend die Kommission neu bestimmt. Das Zeitfenster, welches bis dahin für grundlegende Reformen noch offen ist, hält der Experte für zu knapp, um solch großen Vorschläge zu verwirklichen. Wehr „glaubt daher nicht, dass die Visionen von Macron Wirklichkeit werden“.

Quelle: Sputnik am 27.09.2017
https://de.sputniknews.com/wirtschaft/20170927317622332-macrons-eu-rede-falsche-visionen-zum-falschen-zeitpunkt/

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