»Absurd und inakzeptabel«
Ende in Bitterkeit, »Broke up in acrimony«, so beschrieb die International New York Times den Ausgang des Treffens der Finanzminister der Euro-Staaten am Montag abend. Bereits am 13. Februar war man in diesem Gremium ohne Ergebnis auseinandergegangen. Eine gemeinsame Erklärung war nicht zustande gekommen, da der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis seine Unterschrift kurzfristig zurückgezogen hatte. Diesmal bemühten sich die Kontrahenten nicht einmal mehr um einen gemeinsamen Text. Die griechische Seite ließ vielmehr noch vor Verhandlungsschluss ein Papier kursieren, in dem sie erklärte, dass »das Beharren bestimmter Kreise« darauf, die neue griechische Regierung habe das Memorandum anzuwenden, »absurd und inakzeptabel« ist. Jene, die das nicht akzeptieren wollen, »verlieren ihre Zeit«.
Damit sind die Fronten klar. Die Regierung von Alexis Tsipras weigert sich, das von der abgewählten Regierung angenommene Memorandum von Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) als Grundlage für eine europäische Anschlussfinanzierung des griechischen Haushalts zu akzeptieren. Das gegenwärtige Programm läuft Ende Februar aus. Die Anerkennung des Memorandums als Voraussetzung für weitere Gelder verlangen hingegen die übrigen 18 Finanzminister der Euro-Zone sowie die Europäische Kommission und die EZB. Den größten Druck in diese Richtung übt einmal mehr die deutsche Bundesregierung aus.
Berlin und Brüssel sind sich sicher, in diesem Ringen die besseren Karten zu haben. Immer wieder wird dort darauf verwiesen, dass nicht alleine die Deutschen unnachgiebig sind. Noch entschiedener träten die Finanzminister Portugals und Irlands auf, schließlich hätten ja auch ihre Länder die Vorgaben der Troika akzeptieren müssen. Gern lässt man auch Vertreter der osteuropäischen Euro-Staaten zu Wort kommen. Sie führen regelmäßig Klage darüber, dass man für griechische »soziale Wohltaten« zahlen solle, die man sich nicht einmal im eigenen Land leisten könne.
Neben dieser geschlossenen Front sind es aber vor allem die finanziellen Daumenschrauben, auf die man setzt. Es wird darauf verwiesen, dass die Kapitalflucht aus Griechenland immer größere Ausmaße annimmt. Seit November 2014 seien 20 Milliarden Euro von griechischen Banken abgehoben worden. »Die Banken bluten aus, wenn sich die Links-rechts-Regierung nicht bald mit den übrigen 18 Euro-Ländern einigt«, verkündete die Frankfurter Allgemeine Zeitung rechtzeitig vor dem Treffen der Euro-Gruppe. Um Druck auf Athen auszuüben, hatte die EZB schon wenige Tage nach Amtsantritt der neuen Regierung beschlossen, nicht länger griechische Staatsanleihen als Sicherheit für die Banken des Landes zu akzeptieren. Seitdem sind sie auf Notfall-Liquiditätshilfen (Ela) der Athener Notenbank angewiesen. Diese Liquiditätshilfen dürfen aber nur innerhalb eines bestimmten Finanzrahmens vergeben werden, und über den entscheidet die EZB. Gegenwärtig beträgt er 65 Milliarden Euro. Er müsste recht bald vergrößert werden, soll den griechischen Banken nicht die Luft ausgehen. Doch mit einem Beschluss darüber lässt man sich in Frankfurt Zeit. Schon einmal hatte man mit dem Instrument der Ela ein Land auf Kurs gebracht. Den zyprischen Banken gestattete man erst dann den Zugriff auf solche Liquiditätshilfen, nachdem sich Nikosia bereit erklärt hatte, das Memorandum zu unterschreiben.
Auch was die Finanzierung des griechischen Staatshaushalts in den kommenden Monaten betrifft, ist Athen auf das Wohlwollen der EZB angewiesen. Man will sich mit der Ausgabe kurzfristiger Schuldpapiere (sogenannter T-Bills) behelfen. Aber auch hier gibt es eine Obergrenze, die derzeit bei 15 Milliarden Euro liegt und die nur von der EZB angehoben werden kann. Schon hat die deutsche Bundesbank damit gedroht, der griechischen Notenbank untersagen zu lassen, solche Schuldpapiere auszugeben, da sie hiermit »verbotene monetäre Staatsfinanzierung« betriebe.
Für die griechische Regierung hängt vom Ausgang des Ringens in der Euro-Gruppe viel, wenn nicht alles ab. In seiner Rede zur Eröffnung des Wahlkampfes hatte Alexis Tsipras die Absicht, »dem Irrsinn der Memoranden ein Ende (zu) bereiten«, zu einer der unverrückbaren Säulen von Syriza erklärt. Knickt er jetzt hier ein, so wäre dies bereits die zweite Säule, von insgesamt dreien, die er einreißt, denn über die erste, die Forderung nach einem deutlichen Schuldenschnitt, redet inzwischen niemand mehr. Zu groß sind die Widerstände im übrigen Europa, auch nur darüber zu verhandeln. So blieben nur die angekündigten Maßnahmen aus dem Programm der Partei »zur sofortigen Bewältigung der humanitären Krise« als dritte Säule übrig, etwa eine kostenfreie Stromversorgung und Lebensmittelgutscheine für mindestens dreihunderttausend Haushalte sowie eine in Stufen erfolgende Erhöhung des Mindestlohns. Dies wäre mehr als nichts, und selbst diese Maßnahmen wären nur unter Mühen durchsetzbar, doch den von Tsipras geweckten Erwartungen von »einem Ende der Unterwerfung Griechenlands« entspricht das alles nicht.
Nichts bliebe dann auch mehr übrig von der großen Beschwörung, dass ein Sieg Syrizas der Ausgang eines grundlegenden Wandels im übrigen Europa sei. »We start from Greece. We change Europe«, hieß es noch vor kurzem hoffnungsvoll in der Europäischen Linkspartei und in der Partei Die Linke. Doch bereits die Reisen von Tsipras und von Varoufakis nach Rom, Paris, London, Brüssel, Berlin und Wien hatten gezeigt, dass sie von dort keine Unterstützung zu erwarten haben. Enttäuschend war vor allem, dass auch die Sozialdemokraten ihnen durchweg die kalte Schulter zeigten. Die Stellungnahmen von Sigmar Gabriel oder François Hollande zu den griechischen Forderungen entschieden sich nicht von denen konservativer bzw. liberaler Politiker. Die Parole »ein anderes Europa ist möglich« wird daher einmal mehr Illusion bleiben.
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